Die Eingewöhnungsmodelle im Überblick

Eingewöhnungen werden seit den 80er Jahren nach Modellen durchgeführt, die sich auf die beschriebenen Forschungen beziehen. Das Berliner Eingewöhnungsmodell war das erste Modell und damals eine echte Revolution. Denn bis dato wurden Kinder nicht nach bestimmten Vorgaben, sondern nur nach Bauchgefühl eingewöhnt. Es folgte das Münchener Modell, welches eine längere Eingewöhnung vorsah. Aktuell werden das Peergroup Eingewöhnungsmodell und das partizipatorische Eingewöhnungsmodell diskutiert und in Kitas implementiert. Heute ist es die Pflicht einer jeden Krippe und Kindertagesstätte, ein Eigewöhnungskonzept vorzulegen – welche Errungenschaft! Es steht schwarz auf weiß, dass kein Kind mehr einfach so unter Weinen am ersten Tag der außerfamiliären Betreuung abgegeben werden darf.

Um einen Überblick über bestehende Eingewöhnungskonzepte zu erhalten, sollen an dieser Stelle alle bekannten Eingewöhnungsmodelle in Kürze vorgestellt werden. 

Es wird schwierig,
wenn Eingewöhnungsmodelle
zu starr angewandt
und insbesondere,
wenn sie falsch verstanden
werden.

Wedewardt 2023, S. 40

Das Berliner Eingewöhnungsmodell

Das Berliner Eingewöhnungsmodell (vgl. Laewen u.a., 2009) wurde in den 80er Jahren von Hans Joachim Laewen, Beate Andres und Éva Hédervári-Heller entwickelt. Ihm ist es unter anderem zu verdanken, dass bis heute jede Einrichtung ein Konzept zur Eingewöhnung vorlegen muss. 

Das Modell ist gut erforscht und in seiner Struktur leicht verstehbar. Studien an der Freien Universität Berlin zeigten deutlich positive Effekte des Berliner Eingewöhnungsmodells zum Eingewöhnungsvorgehen vor dem Modell. Nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell eingewöhnte Kinder wiesen beispielsweise insgesamt ein größeres Wohlbefinden und weniger Kranksein auf .

Theoretische Grundlage 

Die theoretische Grundlage des Berliner Eingewöhnungsmodells bildet die Bindungstheorie nach John Bowlby. So ist erstmals vorgesehen, dass in der Eingewöhnung eine begleitende, bekannte Bindungsperson mit in der Eingewöhnung bleibt und so als sichere Basis für das Kind zur Verfügung steht, bis das Kind eine neue Bindung zur Bezugsfachkraft aufgebaut hat. Im Berliner Eingewöhnungsmodell steht also der Beziehungsaufbau einer pädagogischen Fachkraft zu einem Kind im Fokus. Das feinfühlige Erspüren, Verstehen und Beantworten von Bedürfnissen des Kindes durch die pädagogische Fachkraft bildet das Fundament für den Beziehungsaufbau. Sobald das Kind die pädagogische Fachkraft als sichere Basis akzeptiert, kann sich die begleitende Person schrittweise zurückziehen. 

Die drei klassischen Bindungsmuster „sicher“, „unsicher-ambivalent“ und „unsicher vermeidend“ können im Berliner Eingewöhnungsmodell als Hilfestellung genutzt werden, um die Eingewöhnungsdauer einzuschätzen und das fachliche Vorgehen  anzupassen (vgl. Laewen u.a. 2009, S. 27ff.). 

Der Ablauf

Die Dauer einer Eingewöhnung nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell soll 6 bis 14 Tage benötigen, im  Einzelfall auch bis zu drei Wochen. Es wird deutlich gemacht, dass jedes Kind in seinem eigenen Tempo eingewöhnt werden und über seine Eingewöhnung mitbestimmen soll. Bindungserfahrungen, kindliche Temperamente und Vorerfahrungen des Kindes sollen in Trennungssituationen berücksichtigt werden.

Im Berliner Eingewöhnungsmodell wird ein detaillierter Ablaufplan beschrieben. Die Schritte der Eingewöhnung im Berliner Eingewöhnungsmodell sind folgende (vgl. Dreyer 2017, S 83):

1. Vorbereitungsphase: Persönliches Kennenlernen und rechtzeitig Informationen über die erwartete Beteiligung der Eltern am Eingewöhnungsprozess sowie dessen Gestaltung 

2. Grundphase: 3 Tage: Die Bindungsperson bleibt mit dem Kind ca. 1 bis 2 Stunden in der Kita. Sie soll sich eher passiv verhalten und an einem Ort den “sicheren Hafen” für das Kind bilden. Es findet eine vorsichtige Kontaktaufnahme der pädagogische Fachkraft zum Kind statt, zum Beispiel in Form eines Spielangebots.

3. Erster Trennungsversuch am 3. Tag. Die erste Trennung wird am dritten Tag durchgeführt. Die gezeigte Reaktion des Kindes entscheidet folglich über die Dauer der Eingewöhnungszeit. Lässt sich das Kind nach kurzer Zeit von der PF beruhigen, kann die Trennungsdauer auf 30 Minuten ausgedehnt werden. Die Länge der Eingewöhnung soll nun ca. 6 Tage dauern. Lässt sich das Kind nach kurzer Zeit nicht oder nur schwer von der pädagogische Fachkraft beruhigen, wirkt es verstört, zeigt eine erstarrte Körperhaltung oder wirkt passiv, wird die Trennung abgebrochen und eine längere Eingewöhnung von ca. 2 bis 3 Woche eingeplant. 

4. Stabilisierungsphase: Bei einer kurzen Eingewöhnung übernimmt die pädagogische Fachkraft im Beisein der Bindungsperson die Pflege-, Wickel- und Fütteraufgaben. Die Trennungsdauer wird auf ca. 1 Stunde ausgedehnt. Auch das Schlafen soll nun versucht werden. Es wird empfohlen, dass das Schlafenlegen und Aufwachen im Beisein der Bindungsperson geschieht. Ab dem 6. Tag ist der vollständige Aufenthalt des Kindes ohne Bindungsperson vorgesehen. 

5 Schlussphase: Im Plan wird angegeben, dass die Bindungsperson nach der 2. Woche nicht mehr in der Einrichtung, aber jederzeit erreichbar sein soll.

Das Münchener Eingewöhnungsmodell

Das Münchener Eingewöhnungsmodell (vgl. Winner & Erndt-Doll, 2009) wurde auf der Grundlage eines Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Kuno Beller, zwischen 1987 und 1991, in München entwickelt. Als theoretische Zugänge wurden hier nicht die Bindungstheorie, sondern die Transitionsforschung, die Säuglingsforschung und die Erfahrungen aus der Reggiopädagogik herangezogen.

Im Gegensatz zum Berliner Eingewöhnungsmodell, das in Anlehnung an die Bindungstheorie Kinder eher noch als hilflose Wesen sah, fußte das Münchener Eingewöhnungsmodell auf dem Bild eines kompetenten Kindes, das seine Entwicklung selbst steuern kann. Das Konzept der Transition beschreibt Kinder also als fähige Wesen, die Übergängen nicht hilflos ausgesetzt sind, sondern diese mit der Unterstützung von außen aus eigener Kraft bewältigen und aktiv mitgestalten können. Ihnen wird die Kompetenz zugesprochen, für sich selbst sorgen zu können und zu zeigen, welche Unterstützung sie bei der Bewältigung benötigen. Ziel ist es, dass das Kind gestärkt aus der Übergangserfahrung hervorgeht.

Die Transitionstheorie geht davon aus, dass Kinder ihre Erfahrungen mit Übergängen, also auch die mit der Eingewöhnung, auf folgende andere Übergänge in ihrem Leben übertragen. Gerade weil die Eingewöhnung in eine Krippe oder Kindertagespflege für die meisten Kinder der erste große Übergang in ihrem Leben darstellt, kommt diesem Übergang eine große Bedeutung zu.

Um eine positive Erfahrungen ermöglichen zu können, benötigt ein Kind, der Transitionstheorie zufolge, Unterstützung von außen. Die begleitenden Personen, Kind, Eltern, pädagogische Fachkraft aber auch der Kindergruppe spielen im Münchener Modell eine wichtige Rolle. Anders als im Berliner Eingewöhnungsmodell ist ein systemischer Blick relevant, der das soziale Netz der Eltern, deren familiäre Voraussetzungen und auch das gesamte Team der Einrichtung mit einbezieht (vgl. Griebel & Niesel, 2004). Das Wohlbefinden des einzugewöhnen Kindes wird folglich auch im Kontext der Kindergruppe gesehen. Es steht nicht ausschließlich die einzelne PF in Beziehung zum Kind im Vordergrund, sondern das gesamte Setting. Die Eingewöhnung findet also im Alltag der Betreuungseinrichtung statt und nicht separiert. Im Gegensatz zum Berliner Eingewöhnungsmodell ist ein Wechsel der Bezugspersonen während der Eingewöhnung möglich. Es wird davon ausgegangen, dass das Kind zu mehreren Personen Bindungen aufbauen kann. So erhält das Kind die Möglichkeit, seine Bezugsfachkraft selbst zu wählen.

Ziel des Münchner Eingewöhnungsmodells ist die positive Erfahrung des Kindes, einen Übergang bewältigen zu können und diese Erfahrung auf kommende Übergänge übertragen zu können.

Der Ablauf

  1. Vorbereitungsphase 
  2. Kennenlernphase 
  3. Sicherheitsphase 
  4. Vertrauensphase
  5. Phase der gemeinsamen Auswertung und Reflektion 

Nach allen organisatorischen und vorzubereitenden Maßnahmen und einem ersten Kennenlerngespräch in der Vorbereitungsphase, startet die Kennenlernphase, die sich im Wesentlichen vom Berliner Eingewöhnungsmodell unterscheidet. Eltern und Kind verbringen täglich 2 Stunden bis zu einem halben Tag in der Einrichtung und können selbstbestimmt alles kennenlernen. Es wird ausdrücklich betont, dass viel Zeit in der Einrichtung wichtig sei, um die Eingewöhnung voranzubringen. Nur kurze Besuche von etwa 1 Stunde würden die Eingewöhnung eher hemmen (vgl. Winner & Erndt-Doll 2009, S. 52). Eltern haben die Möglichkeit, sich frei zu bewegen und sich nicht still und unbeteiligt an einen Ort zu setzen. Der Fokus liegt eher auf dem Erfahren und Verinnerlichen von räumlichen und strukturellen Gegebenheiten als auf der individuellen Beziehungsentwicklung zu einer pädagogischen Fachkraft als Basis. Es geht darum, Sicherheit zu gewinnen über das Kennenlernen der anwesenden Personen, Räume, Strukturen und Abläufe. Während der Kennenlernphase hält sich die pädagogische Fachkraft zurück und die Hauptverantwortung liegt noch bei der begleitenden Bezugsperson. Die Kennenlernphase umfasst ca. 1 Woche.

In der Sicherheitsphase soll das Kind mit der Begleitperson bereits die Zeit in der Einrichtung bleiben, die es anschließend dort verbringen soll. Die Idee ist, dass das Kind so den gesamten strukturellen Ablauf verinnerlicht und auf diese Weise Sicherheit erfährt. Ziel ist es nun, dass sowohl das Kind als auch die Eltern so viel Sicherheit gewinnen, dass sie sich voneinander trennen können. Die begleitende Fachkraft nutzt die Beobachtungen und Erfahrungen aus der Anfangsphase, um das Kind nun passend zu begleiten – zu wissen, was ihm Sicherheit gibt, welche Interessen es hat und was ihm gut tut. Die begleitende pädagogische Fachkraft übernimmt nun mehr Betreuungsaufgaben und nähert sich dem Kind weiter an. Die Begleitperson bleibt jedoch weiterhin mit in der Einrichtung und der sichere Hafen. Die pädagogische Fachkraft versucht nach und nach eine verlässliche Beziehung zum Kind herzustellen, hegt aber nicht den Anspruch des Berliner Eingewöhnungsmodells, eine Bindung aufbauen zu müssen. Der zeitliche Rahmen für die Sicherheitsphase soll 6 Tage betragen: von Montag bis Montag. Mit dem Montag soll nach dem Wochenende keine neue Phase eingeläutet werden: So bekommt das Kind am Anfang der Woche die Chance, mit dem bereits bekannten Vorgehen erstmal wieder anzukommen.

In der Phase “Vertrauen aufbauen” liegt der Fokus darauf, dass das Kind sowohl zu den pädagogischen Fachkräften, zu den Kindern und in die Institution Vertrauen aufbaut. Ein erster Trennungsversuch sollte erst am 6. Tag erfolgen. Ein besonderes Augenmerk soll auf das Verhalten des Kindes vor und nach der Trennung gelegt werden. Kontinuierlich tauschen sich die pädagogischen Fachkräfte und Eltern über die Reaktionen und das Verhalten des Kindes aus. Empfohlen wird, die erste Trennung nicht zu lange zu machen. Die Begleitperson sollte zurückkehren, ehe das Kind ängstlich wird. Zeigt das Kind keine Trennungsängste, beträgt die Trennungszeit ca. 30 bis 60 Minuten. Je nachdem, wie gut sich das Kind beruhigen lässt, kann die Zeit in den Folgetagen ausgedehnt werden.

Zum Abschluss wird der Eingewöhnungsprozess in der Phase “Eingewöhnung auswerten” mit allen Beteiligten in einem Gespräch reflektiert. Dazu wird ein Interviewleitfaden empfohlen mit Reflexionsfragen (vgl. Winner & Erndt-Doll 2009, S.86)

Einrichtungen, die nach dem Münchener Modell eingewöhnen, nehmen sich durchschnittlich insgesamt mehr Zeit für die Eingewöhnung als Einrichtungen, die sich am Berliner Modell orientieren. Die angestrebte Dauer der Eingewöhnung nach dem Münchener Modell beträgt 12 plus 3 Tage, 12 Tage “Kennelernen” und “Sicherheit gewinnen” und 3 Tage “Vertrauen aufbauen”. Wichtiger als die Anzahl der Tage sei jedoch die Anzahl der Stunden, die das Kind in der Eingewöhnung in der Einrichtung verbringt. Kurze Besuche würden dem Münchner Modell zufolge dem Kind nicht helfen, in der Einrichtung anzukommen. 

Das Tübinger Modell – Eingewöhnung in der Peergroup

Seit 2010 wird die Eingewöhnung in der Peergroup (vgl. Fink 2022; Cantzler 2022) immer bekannter. Das sogenannte Tübinger Modell nutzt die theoretischen Grundlagen der Bindungs- und Transitionsforschung sowie der Forschung über Peerbeziehungen. Die Aufmerksamkeit liegt anders als im Berliner oder Münchner Eingewöhnungsmodell auf dem Kennenlernen der Kinder untereinander.

Bei der Eingewöhnung in der Peergroup wird die Eingewöhnun nicht auf ein Kind bezogen, sondern auf eine Kindergruppe von ca. 3 bis 5 Kindern konzentriert. Auch wenn es sich um eine Gruppe von Kindern handelt, die eingewöhnt wird, hat immer das Bedürfnis des einzelnen Kindes Vorrang vor dem der Kindergruppe. 

Bereits in der Vorbereitung werden mehrere Kinder mit ihren Begleitpersonen für die Eingewöhnung eingeplant. Der Beziehungsaufbau zu den Fachkräften nimmt einen wichtigen Stellenwert ein. Auf der Grundlage sich entwickelnder Beziehungen zu den pädagogischen Fachkräften, wird der Fokus jedoch darauf gelenkt, Kinder und Eltern jeweils untereinander bekannt zu machen.  

Weil es sich um mehrere Kinder und ihre Familien handelt, die die Eingewöhnung besuchen, sollen auch immer mindestens zwei Fachkräfte als Tandem für die Eingewöhnung zuständig sein. Das bringt mehrere Vorteile mit sich: Erstens die Arbeitslast kann verteilt werden, zweitens die Kinder und Eltern können sich die pädagogische Fachkraft als Bezugsperson auswählen, die ihnen sympathischer ist, drittens können die beiden Fachkräften den Eingewöhnungsprozess gemeinsam reflektieren sowie das weitere Vorgehen absprechen und die Eingewöhnung muss nicht unterbrochen werden, wenn eine der beiden Fachkräften vorübergehend krank wird.

Für die Gestaltung der Peergroup-Eingewöhnung ist eine gute Planung, Zusammenarbeit und Transparenz von großer Wichtigkeit. Das Konzept der Eingewöhnung in der Peer sollte vom gesamten Team mitgetragen werden, da es gegenüber dem Berliner oder Münchener Modell vorübergehend personelle, räumliche und strukturelle Veränderungen bedeutet.

Der Vorteil des Tübinger Modell ist, dass durch die gemeinsame Eingewöhnung sowohl Kinder als auch Eltern “Gleichgesinnte” treffen, mit denen sie ihr Erleben teilen können. Das schafft Vertrauen und Wohlbefinden. Nicht nur für die Kinder ist der Übergang in die außerfamiliäre Betreuung emotional aufwühlend, sondern auch für die Begleitperson. Die Ablösung der Kinder von ihren Bezugspersonen gelänge ebenso einfacher, wenn Kinder sich in der Gegenwart von ihnen bekannten Gleichaltrigen befänden (vgl. Cantzler 2022, S. 23). 

Der Ablauf

Die Eingewöhnungsgruppe startet in einem separaten Raum und lernt sich erstmal untereinander kennen. Nach ca. 1 bis 2 Wochen wird die Tür zum Alltagsgeschehen geöffnet. Ab der 3. Woche soll die Gruppe in das Alltagsgeschehen integriert werden. Der separate Raum steht den Kindern jedoch für eine Übrgngszeit jederzeit als Rückzugsort zur Verfügung.

“Die erste Eingewöhnungsphase gilt als abgeschlossen, wenn alle Kinder der Peer sich von ihren Bezugspersonen lösen konnten und zu einer oder beiden Eingewöhnungsfachkräften eine Beziehung aufgebaut haben. Endgültig ‚eingewöhnt‘ sind die Kinder erst, wenn sie mit den Räumen, dem Tagesablauf und den Ritualen der Gesamtgruppe vertraut sind und in den von Seiten der Familie ‚gebuchten‘ Betreuungszeiten – inklusive darin vorgesehener Schlüssel situationen, wie z.B. dem Mittagessen und dem Schlafen – angekommen sind.” (Fink 2022, S. 9f.). Grundsätzlich gilt: Die Kinder bestimmen ihre Trennungsschritte und werden aktiv in den Prozess einbezogen.

Die Gefahr des Peergroup-Eingewöhnungsmodell ist, dass es genutzt werden kann, um Eingewöhnungen effektiver “über die Bühne zu bringen” und dabei die tatsächlichen Bedürfnisse der Einzelnen aus dem Blick geraten. Deshalb betont Heike Fink: “Das Modell zielt in keiner Weise auf eine pragmatische, gleichzeitige und somit schnellere Eingewöhnung mehrerer Kinder ab, wie es aktuell teilweise von Trägerseite durch den verstärkten Krippenausbau oder auch pandemiebedingt favorisiert wird” (2022, S.10). Das Tübinger Modell sollte also “nicht als effizientes Kosten-Nutzen-Modell missverstanden werden” (Cantzler 2022, S. 117).

Eine Schwierigkeit
von Eingewöhnungsmodellen
besteht darin,
dass eine bestimmte Ausrichtung
nicht für alle Kinder
und Eltern anwendbar ist.

Wedewardt 2023, S. 41

Das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell

Das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell wurde von Prof. Dr. Marjan Alemzadeh entwickelt. Es möchte die Bedürfnisse aller Beteiligten während der Transition in den Blick nehmen. Dabei handelt sich um ein bindungsorientiertes Eingewöhnungsmodell, das die Signale von Kindern und Eltern ernst nimmt und als Grundlage für weitere Planungsschritte nutzt (vgl. Alemzadeh, 2023). Es ist Teil einer Partizipatorischen Didaktik, in der das Kind als aktiver Gestalter seiner Entwicklung und Lebenswelt gesehen wird (Schäfer & Alemzadeh, 2012). Dabei versteht sich das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell als ein interdisziplinärer Ansatz. Es berücksichtigt aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse aus der Pädagogik der frühen Kindheit, aus der Bindungstheorie, der Transitionsforschung, der prä-, peri- und postnatalen Psychologie sowie Erkenntnisse aus der Trauma-Pädagogik (vgl. Alemzadeh, 2023).

Ähnlich wie beim Münchner Eingewöhnungsmodell gibt es eine lange Ankommensphase. Darin lernen Begleitperson und Kind gemeinsam die Einrichtung kennen. Ein Schwerpunkt liegt in dieser Phase für die pädagogische Fachkraft auf der wahrnehmenden Beobachtung, die ermöglicht, dass das Kind und seine Begleitperson mit ihren Signalen wahrgenommen werden können. Auf der Grundlage der Beobachtungen kann die pädagogische Fachkraft passend und responsiv auf diese Signale eingehen und die Erkenntnisse im weiteren Eingewöhnungsprozess situationsadäquat einsetzen. Die individuellen Bedürfnisse der Kinder sind der Ausgangspunkt für das pädagogische Handeln im Eingewöhnungsprozess. Sowohl Kinder als auch Eltern werden partizipativ in den Prozess ihrer Eingewöhnung eingebunden. Damit die Eingewöhnung so natürlich wie möglich stattfindet, nimmt die Begleitperson eine aktive Rolle ein, ähnlich wie bei einer ersten Trennungserfahrung im familiären Umfeld. Es gibt keinen festen Zeitplan, vielmehr wird darauf geachtet, ob Begleitperson und Kind Merkmale zeigen, die darauf schließen lassen, dass die beiden bereit für eine erste Trennung sind. In den ersten zwei Wochen wird keine Trennung empfohlen, da das Kind und seine Begleitperson meist gute 14 Tage für den Beziehungsaufbau zu der pädagogischen Bezugsfachkraft benötigen. 

Der Ablauf (vgl. Alemzadeh 2021a, S. 39)

  1. Phase: Informieren

Die Eingewöhnung wird vorbereitet: erste Gespräche zwischen Eltern und der Leitung; Eltern können hospitieren. In einem ausführlichen Anamnese-Gespräch werden Erfahrungen mit Geburt und Trennung erfragt.

  1. Phase: Ankommen in der Einrichtung

Kind und Eltern bekommen Zeit, um sich mit dem Ort vertraut zu machen; gegenseitiges Vertrauen wird gefördert. Die Eltern dürfen sich in der Einrichtung frei bewegen und am gesamten Kita-Alltag teilhaben.

  1. Phase: In Kontakt gehen

Die pädagogische Fachkraft nutzt ihre Beobachtungen für passgenaue Spielangebote, so dass das Kind sich mit seinen Bedürfnissen wahrgenommen und gesehen fühlt.

  1. Phase: Beziehungen aufbauen

Wenn die pädagogische Fachkraft spürt, dass das Kind gerne mit ihr in Kontakt geht und auf die Spielangebote eingeht, ohne sich dabei immer bei den Eltern abzusichern, beginnt der Beziehungsaufbau. Die pädagogische Fachkraft übernimmt nun auch nach und nach Pflegetätigkeiten, wie dem Kind etwas zu essen oder trinken anzubieten, mit dem Kind Hände waschen zu gehen oder es auch mal auf den Arm zu nehmen, wenn das Kind dies möchte.

  1. Phase: Sich in der Einrichtung wohlfühlen

Wenn das Kind morgens freudig ankommt, auf die Begrüßung eingeht, sich an Interaktionen beteiligt und eigenständig die Umwelt erkundet, signalisiert es: „Ich bin angekommen.“ Das Kind zeigt, dass es die Kita-Strukturen gut verinnerlicht hat, weiß was als nächstes folgt und es zeigt vor allem, dass es sich in der Nähe seiner Bezugserzieherin sicher fühlt und Freude an der Erkundung der neuen Umgebung zeigt.

  1. Phase: Bereit für den Abschied

Eltern und Kind entscheiden über den Zeitpunkt der ersten Trennung aktiv mit. Die pädagogische Fachkraft sucht das Gespräch mit dem Elternteil vor der ersten Trennung. Sie reflektieren gemeinsam darüber, welche Merkmale das Kind schon zeigt, dass es gut angekommen ist. Auch das Elternteil sollte Vertrauen gefasst und sich in der Einrichtung wohlfühlen. Sie wird explizit gefragt, ob sie bereit für eine erste Trennung ist oder noch nicht. Auch das Kind gibt gewissermaßen sein Einverständnis, da erst dann über eine Trennung nachgedacht wird, wenn das Kind über verschiedene Merkmale zeigt, dass es gut in der Kita angekommen ist und eine sichere Beziehung zu seiner Bezugsfachkraft aufgebaut hat. 

Phase: Die Einrichtung wird zum Alltag

Gelingt die Trennung von den Eltern ohne Proteste, beteiligen sich die Kinder aktiv an Alltags- und Spielsituationen und zeigen dabei, dass es ihnen gut geht, so wird die Zeit ohne Eltern Stück für Stück ausgebaut.

In der Partizipatorischen Eingewöhnung bekommen die Prägungen und (unbewussten) Erfahrungen der Beteiligten erstmals eine besondere Aufmerksamkeit (vgl. Alemzadeh, 2021b). Sie werden als Einflussfaktor für eine gelingende Eingewöhnung mitgedacht. Auch das Traumapotenzial einer wenig sensiblen Eingewöhnung wird thematisiert und in den Fokus gerückt.

Oberstes Ziel der Partizipatorischen Eingewöhnung ist es somit, dass die Eingewöhnung vom Kind und Elternteil aktiv mitgestaltet werden kann und sie bei diesem Prozess feinfühlig und professionell begleitet werden. Die Eingewöhnung soll so gestaltet werden, dass das psychische, seelische, geistige und körperliche Wohlbefinden des Kindes gewahrt werden kann.

Jedes Kind braucht
seine individuelle
Zeit und seinen individuellen
Rahmen.

Wedewardt 2023, S. 42

Die kultursensible Eingewöhnung

In einer Gesellschaft, die von vielen verschiedenen Kulturen geprägt ist, wie die heutige, ist es unerlässlich, dass auch die Eingewöhnung an den verschiedenen Kulturen, deren Werten und Bedürfnissen ausgerichtet wird. Deshalb nehmen sich immer mehr Kitas und Krippen vor, auch die Eingewöhnung an den verschiedenen Kulturen auszurichten.

Bei der “herkömmlichen” Eingwöhnungsgestaltung zum Beispiel nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell wird von einer westlichen Sicht auf Beziehungen ausgegangen, in der eine Bezugsperson eine intensive Beziehung zu einem Kind durch ein feinfühliges Handeln aufbaut. “Im Kulturvergleich zeigt sich jedoch, dass Bindungsbeziehungen ganz unterschiedlich gestaltet und bewertet werden. Der Fokus auf die Mutter bzw. eine Hauptbezugsperson wird bspw. außerhalb der westlichen Mittelschicht nicht unbedingt geteilt bzw. mitunter auch explizit abgelehnt” (Lamm 2018, S. 1). So kann es sein, dass Kinder, die in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, in der regelmäßige Wechsel der Bezugspersonen normal waren, sie den Eintritt in den Kindergarten oder die Krippe als nicht so herausfordernd wahrnehmen.

In einer kultursensiblen Eingewöhnung werden also die unterschiedlichen kulturellen Prägungen von Familien und ihren Kindern berücksichtigt, ohne ein bestimmtes Eingewöhnungs-Verfahren, das an die westliche Kultur angepasst ist, wie beispielsweise das Berliner Eingewöhnungsmodell, “überzustülpen”. Kulturgeprägte, individuelle Erwartungen der BP und die für das Kind bekannten, kulturbedingten Betreuungsvorerfahrungen werden in der kultursensiblen Eingewöhnung thematisiert und im Ankommensprozess berücksichtigt.

Die Bedürfnisorientierte Beziehungszeit (Eingewöhnung)

Die theoretischen Grundlagen für das bedürfnisorientierte Ankommen in der Einrichtung bildet die bedürfnisorientierte Pädagogik (vgl. Wedewardt & Hohmann 2021). Als theoretisches Fundament ist neben der Bindungsforschung, der Transitionsforschung, der Psychotraumatologie, der Achtsamkeitsforschung und der Neurowissenschaft auch die Gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg (2016) hervorzuheben.


Die bedürfnisorientierte Beziehungszeit (vgl. Wedewardt 2023) ist von einem individuellen Vorgehen geprägt, das sich an den beteiligten Menschen ausrichtet. Es bezieht die individuellen Temperamente, die unterschiedlichen neuronal-genetischen Voraussetzungen (Neurodivergenzen), kulturellen Hintergründe, Eigenheiten und Interessen jedes Beteiligten mit ein. Auf diese Weise ist jede bedürfnisorientierte Eingewöhnung einzigartig.


Die bedürfnisorientierte Beziehungszeit macht sich frei von Eingewöhnungsmodellen, die einen bestimmten Ablauf oder einen Zeitrahmen vorgeben. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch so unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt, dass Modelle dem Einzelnen im Ankommensprozess kaum gerecht werden können. Es gibt Voraussetzungen, die dazu führen können, dass der Ankommensprozess schnell verläuft, es ist aber auch möglich, dass die erste Trennung nach vier Wochen stattfindet. Alles darf sein – immer an den Gefühlen und Bedürfnissen der Beteiligten ausgerichtet. Jeder bekommt das, was er braucht.

Entsprechend des Menschenbildes der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg (2016) wird auch im Ankommensprozess davon ausgegangen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit sein bestmögliches Verhalten zeigt, um sich seine Bedürfnisse zu erfüllen. Egal, wie Menschen sind, was sie tun, was sie sagen oder wie sie sich verhalten, sie streben danach,
sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen, um psychisch und physisch gesund zu bleiben.

Bedürfnisorientiert in einer außerfamiliären Einrichtung anzukommen bedeutet, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten – die des Kindes, der Begleitperson und der pädagogischen Fachkraft – wahrgenommen und berücksichtigt werden. Ebenso wird den Gefühlen aller Raum geschenkt und ihre Grenzen gewahrt. Die Beteiligten dürfen den Prozess des Ankommens mitgestalten.

Literatur

Alemzadeh, M. (2023): Partizipatorische Eingewöhnung. Freiburg im Breisgau: Herder.

Alemzadeh, M. (2021a): Traumafrei eingewöhnen. In: TPS Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Traumapädagogik. Heft 9/21. S. 36–39.

Alemzadeh, M. (2021b): Die Tränen der Vergangenheit. In: TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Traumapädagogik. Heft 9/21. S. 40–43.

Cantzer, A. (2022): Peergroup-Eingewöhnung. Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr.

Dreyer, R. (2017): Eingewöhnung und Beziehungsaufbau in Krippe und Kita. Freiburg im Breisgau: Herder.

Fink, H (2022): Die Eingewöhnung in der Peer – das Tübinger Modell. In: Kita Fachtexte. Online abrufbar unter: https://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/220327_KitaFachtexte_Fink_02.pdf (Letzter Zugriff am 28.03.2023).

Griebel, W. & Niesel, R. (2016): Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der Bildungslaufbahn von Kindern. Berlin: Cornelsen.

Griebel, W. & Niesel, R. (2004): Transitionen. Fähigkeiten von Kindern in Tageseinrichtungen fördern, Veränderungen erfolgreich zu bewältigen. Weinheim, Basel: Beltz Verlag.

Laewen, H-J.; Andres, B. & Hédervári, É. (2007): Die ersten Tage – ein Modell zur Eingewöhnung in Krippe und Tagespflege. Cornelsen.

Lamm, B. (2018): Wie gestaltet sich Kita-Eingewöhnung aus interkultureller Perspektive? In: Kita-Einstieg – Wissen kompakt https://kita-einstieg.fruehe-chancen.de/fileadmin/PDF/Kita-Einstieg/nifbe-Kita-Einstieg-Wissen-kompakt_Eingewoehnung_interkulturell.pdf (Letzter Zugriff am 28.01.2023).

Schäfer, G. E. & Alemzadeh, M. (2012). Wahrnehmendes Beobachten. Beobachtung und Dokumentation am Beispiel der Lernwerkstatt Natur. Weimar: verlag das netz.

Wedewardt, L. (2023): Ankommen dürfen statt loslassen müssen. Freiburg im Breisgau: herder.

Winner, A. & Erndt-Doll, E. (2009): Anfang gut? Alles besser! Ein Modell für die Eingewöhnung in Kinderkrippen und anderen Tageseinrichtungen für Kinder. Berlin: Verlag das Netz.

Rezension Buch „Augenhöhe statt Strafen. Beziehungsstark in Kita, Krippe und Kindertagespflege“ von Kathrin Hohmann

Autorin: Helia Schneider

In der neuen Herder-Buchreihe „Blickschulung: erkennen-reflektieren-verändern“ ist ein weiteres praxisnahes Buch erschienen. Die Autorin Kathrin Hohmann bietet dem/der Leserin die Möglichkeit, sich zu reflektieren, sich den eigenen Erziehungsmethoden im pädagogischen Alltag bewusst zu werden und diese zu hinterfragen.

An konkreten Praxisbeispielen stellt sie dar, warum bestimmte Maßnahmen und Vorgehensweisen (wie z.B. der „Time-Out“ oder das Belohnungssystem mit einer Verhaltensampel) strafend und auch beziehungsschädigend sind und die Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen.

Die möglichen Folgen gewaltvoller Interventionen beschreibt sie ebenfalls. Sie geht kapitelweise auf die wichtigen Themen: „Die Fachkraft als Vorbild“, „Auszeit/Ausschluss“, „Körperliche Fixierung“, aber auch „wenn Fachkräfte laut werden“, „Verhaltensampeln und Ermahnungssysteme“, „die Unterscheidung von Konsequenzen und Strafen“, „Zwang beim Essen“, „Wiedergutmachung und Einfühlung statt Floskeln“, „Partizipation gestalten“ und „Die Macht der Sprache“ ein.

In jedem Kapitel zeigt sie außerdem auf, wie die Fachkraft aus dem Praxisbeispiel alternativ auf Augenhöhe hätte reagieren können. Das Buch will pädagogische Fachkräfte sensibilisieren, Denkanstöße geben und neue Sichtweisen eröffnen. Vielleicht wird es für manch einen beim Lesen etwas unbequem, weil er/sie sich „erwischt fühlt“.


Es wird auf der anderen Seite hoffentlich vielen Fachkräften „Aha-Momente“ bescheren und sie veranlassen, ihr Verhalten im Sinne eines gleichwürdigen, beziehungsstarken Miteinanders mit den ihnen anvertrauten Kindern zu ändern, denn – und da ist die Autorin sehr klar: bestimmte Dinge sind schlicht verboten und nicht zu akzeptieren!

Ihr gelingt es jedoch, dass man sich beim Lesen nicht bewertet und verurteilt fühlt.

Ein weiteres Buch aus der Reihe „Blickschulung“ ist „Wörterzauber statt Sprachgewalt. Achtsam sprechen in Kita, Krippe und Kindertagespflege“

Kathrin Hohmann, K. (2022): Augenhöhe statt Strafen. Beziehungsstark in Kita, Krippe und
Kindertagespflege. Freiburg im Breisgau. Herder Verlag 2022.

Zur Autorin: Helia Schneider, Fortbildnerin Elementarpädagogik, Supervisorin, Autorin, www.helia-schneider.de

Gut aufgehoben in der Kita – Buchrezension

Was bedeutet es, gut in der Kita aufgehoben zu sein? Dieser Frage widmen sich die beiden Autor*innen Hans-Joachim Laewen und Beate Andres in ihrem Buch „Gut aufgehoben in der Kita. Zur Praxis einer professionellen Ethik.

Um sicherzustellen, dass Kinder in der Kita gut aufgehoben sind, braucht es ihrer Meinung nach eine gute Prozessqualität, die ganz klaren Regeln und Standards folgt. Ähnlich wie in der Medizin wünschen sich die beiden Autor*innen eine Berufsethik, um einer wie sie meinen, noch stark schwankender Prozessqualität vorzubeugen. Es sei nicht ausreichend, wenn Fachkräfte „nur“ nach ihrem Bauchgefühl oder aus ihrer Berufserfahrung heraus handeln würden.

„Wir schätzen die Risiken einer unzureichenden Betreuungsqualität als so beträchtlich ein, dass über die ethische Dimension einer solchen Praxis nicht länger hinweggesehen werden kann“

(S. 29)

Kinder darf und soll in der Kinderbetreuung nicht geschadet werden. Der aktuelle Stand der Forschung weise ihrer Meinung nach jedoch – insbesondere für Krippenkinder – eine Reihe an Risiken auf. Sie zitieren dabei Stressstudien zum Cortisolgehalt im Speichel der Kinder, die NICHD-, die NUBBEK-Studie und die Wiener Krippenstudie (vgl. S. 39ff.). Diese Erkenntnisse und die Erfahrungen aus der Praxis geben also „Anlass zur Sorge“ (S. 55).

Laewen und Andres weisen jedoch auch darauf hin, dass die Betreuung von Kindern nicht schade, wenn sie von hoher Qualität sei. Da in vielen Einrichtungen die Prozessqualität jedoch nicht ausreichend gut ist, muss sich ihrer Meinung nach dringend etwas ändern.

Um eine Berufsethik für pädagogische Fachkräfte zu entwickeln, können die zum Buch beiliegenden „Arbeitsbögen zur Sicherheit der pädagogischen Qualität“ genutzt werden. Darin werden die Parameter einer guten Interaktionsqualität und die Voraussetzungen dafür aufgeschlüsselt eine Praxis zu etablieren, in der Kinder gut aufgehoben sind.

Die Arbeitsblätter befassen sich beispielsweise mit folgenden Themen und Fragen:

  • Wie ist das Vertrauen im Team?
  • Werden Strafen angewandt?
  • Herrscht eine Atmosphäre der Angstfreiheit?
  • Wie kann Stress vermieden werden?
  • Wie sind die Haltungen und das Verhältnis zu den Eltern?
  • Wie gut ist die Fachkraft-Kind-Beziehung?
  • Wie werden die Übergangsphasen gestaltet?
  • Wie geht es dem Kind? uvm.

Mithilfe von acht Arbeitsblättern kann die Einrichtung ihre eigene Qualität einschätzen, sie auswerten und, das ist wohl das Wichtigste, miteinander ins Gespräch kommen.

Laewen, H.-J. & Andres, B. (2022): Gut aufgehoben in der Kita. Arbeitsbögen zur Sicherung der pädagogischen Qualität, S. 4.

„Qualität ist in jeder Kita möglich!“ so die Autor*innen, wenn das Wohlbefinden der einzelnen Menschen, ob groß oder klein, immer wieder beobachtet und auf den Prüfstand gestellt werde. Pädagogische Fachkräfte sollten sich immer wieder die Frage stellen, ist ein jedes Kind in unserer Einrichtung gestresst oder gut bei uns aufgehoben?!

Das Buch „Gut aufgehoben in der Kita“ und das dazugehörige Arbeitsbuch sind hilfreich, um die Relevanz pädagogischer Arbeit und ihre Qualität zu verdeutlichen. Mit dem Arbeitsbuch kann es jedem Team gelingen, einzelne Situationen und einzelne Kinder in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen, was können wir tun, um unsere Arbeit zu verbessern sowie dafür Sorge zu tragen, dass ein jedes Kind gut bei uns aufgehoben ist?

Quellen:

Laewen, H.-J. & Andres, B. (2022): Gut aufgehoben in der Kita. Zur Praxis einer professionellen Ethik. Freiburg im Breisau: Herder.

Laewen, H.-J. & Andres, B. (2022): Gut aufgehoben in der Kita. Arbeitsbögen zur Sicherung der pädagogischen Qualität. Freiburg im Breisau: Herder.

Herausforderung Kita

Kommt ein Kind in die Krippe oder den Kindergarten endet eine Zeit enger Beziehung. Das eng auf einander bezogene Leben wird von einer neuen Phase für Eltern und Kinder abgelöst. Weil der Einstieg in die familienergänzende Betreuung für alle so unbekannt ist, wird sie von einer Bandbreite an unterschiedlichsten Gefühlen begleitet:

Es kann Erleichterung mit sich bringen, wieder mehr Freiraum für die Eltern, Raum für Eigenständigkeit, Autonomie und Selbstwirksamkeit. Auch das Kind kann den Einstieg in die Betreuung als eine Bereicherung erleben und mit Vorfreude genießen. Es kann Stolz empfinden, fühlt sich nun „größer“ und bekommt neue Anregungen, um zu lernen.

Gleichzeitig blicken viele Eltern auch sorgenvoll auf diese Zeit der außerfamiliären Betreuung ihres Kindes. Sie ist mit Angst verbunden, mit einem Gefühl von Traurigkeit und manchmal auch Ohnmacht. Das erste Mal wird das Liebste, das man hat, in „fremde“ Hände gegeben. Nicht zu wissen, wie sehr man selbst die Bezugsfachkraft mag, wie es dem Kind in der Einrichtung geht, es nicht mehr beschützen zu können und es für die Betreuungszeit „aus dem Auge“ zu verlieren bringt ein Gefühl von Kontrollverlust und Ohnmacht mit sich.

Es braucht also eine ordentliche Portion an Vertrauen. Um loszulassen und Vertrauen aufzubauen, hilft es jedoch nicht, zu hören: „Du musst mal loslassen!“ oder „Tränen gehören dazu!“. Um Vertrauen entwickeln zu können, braucht es Vertrauen, nicht weil ich es mir einrede, sondern weil ich es entwickeln konnte.

Was es braucht, um Vertrauen entwickeln zu können:

  • eine gute Beziehung zu den Fachkräften
  • als Eltern mit den eigenen Gefühlen erst genommen zu werden
  • als Eltern mit den eigenen Bedürfnissen gesehen zu werden
  • als Eltern mit den eigenen Grenzen gesehen zu werden
  • als Eltern auch eigene Werte mit einbringen zu dürfen
  • die Möglichkeit Konflikte konstruktiv zu besprechen und Kompromisse zu schließen

Der größte Konflikt, der sich in der Kinderbetreuung anbahnen kann, besteht darin, dass die eigenen Werte eines beispielsweise bedürfnisorientierten Umgangs auf die Werte der Einrichtung stoßen und diese wenig vereinbar sind. Wird das eigene Kind in der Kita belohnt, bestraft, manipuliert, verglichen, beschämt oder in irgendeiner Weise nicht so angenommen, wie es ist, kann das für Eltern sehr belastend sein. Sie befinden sich dann nicht nur in einem Konflikt mit den Fachkräften, sondern tragen andauernd einen eigenen, inneren Konflikt mit sich. Es werden innere Stimmen laut, die den eigenen Kopf zum Platzen bringen können oder den Bauch zum schmerzen.

Innere Fragen von Eltern im Wertekonflikt

  1. Kann ich meinem Kind diese Einrichtung zumuten?
  2. Wird es trotz anderer Werte in der Einrichtung psychisch gesund aufwachsen können?
  3. Welche Verhaltensweisen von Fachkräften sind ok und welche nicht?
  4. Wie kann ich Konflikte ansprechen?
  5. Wie veränderbar ist die Haltung der Fachkräfte?
  6. Ab wann sollte ich mein Kind aus der Einrichtung nehmen?
  7. Gibt es alternative Einrichtungen?
  8. Kann und will ich mein Kind zuhause lassen?

Eine gute Beziehung zwischen Fachkräften, Kindern und Eltern ist möglich und die entscheidende Voraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. In unserem Buch „Kinder achtsam und bedürfnisorientiert begleiten“ (Wedewardt/Hohmann 2021) zeigen wir auf, dass eine achtsame, gewaltfreie und bedürfnisorientierte Pädagogik möglich ist.

Werden in der Einrichtung des eigenen Kindes jedoch keine bedürfnisorientierten Werte gelebt, gibt es verschiedene Wege damit umzugehen. Je nachdem, wie die familiären Verhältnisse sind, welche Bedürfnisse Eltern haben, welche Persönlichkeit das Kind hat und wie schwerwiegend die Wertekonflikte zwischen zuhause und der Einrichtung sind, können individuelle Strategien erarbeitet werden, um einen gemeinsamen, glücklichen Weg zu finden. Die Möglichkeiten reichen vom Ansprechen eigener Bedürfnisse im vier-Augen-Gespräch mit der Fachkraft bis hin zur Meldung beim Träger aufgrund von beobachtetem, grenzverletztendem Verhalten in der Kita.

Gelingt es, die Bindungs- und Bedürfnisorientierung auch in den Einrichtungen nicht nur im Hinblick auf das Kind, sondern auch in der Beziehung zwischen Fachkräften und Eltern zu leben, kann die Krippen- und Kindergartenzeit eine wichtige und bereichernde Phase im Leben einer Familie darstellen. Sie muss nur für alle gesund sein.

Gewalt von Fachkräften gewaltfrei verhindern

Gastbeitrag von Barbara Leitner

Im Herbst 2019 erschienen gleich zwei Bücher, die auf Übergriffe und Grenzverletzungen durch pädagogische Fachkräfte gegenüber Kindern in der Kita aufmerksam machten. Sie brachen gewissermaßen ein Tabu und eröffneten in der Fachwelt die Auseinandersetzung zu dem Thema und machen eine bisher nicht ausreichende beantworte Frage dringlicher: Wie kann Gewalt gegen Kinder gewaltfrei verhindert und der Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt unterbrochen werden? Was heißt tatsächlich Gewaltfreiheit in der Kita?


Über „Gewaltfreiheit“ wird in Kitas seit einigen Jahren gesprochen. Zum einen wurde mit der Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch aus dem Jahre 2000 das Recht von Kindern, gewaltfrei erzogen zu werden, unterstrichen. Dieses Recht gilt natürlich uneingeschränkt in der Kita. Diese Gesetzesänderung, das daraufhin verabschiedete Kinderschutzgesetz und die Veränderungen im SGBVIII sensibilisieren pädagogische Fachkräfte und andere Beteiligte deutlich für die Formen von Gewalt und Übergriffen gegenüber Kindern. In den Auseinandersetzungen wird deutlich, wie viel zu tun bleibt, um für ein gleichwürdiges Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen auch in der Kita zu sorgen.


Zum anderen ist auch das Modell der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) von Marshall Rosenberg seit einigen Jahren in vielen Kitas bekannt. Pädagogische Fachkräfte lernen das auf der humanistischen Psychologie beruhende Vier-Schritte-Modell, um sich gegenüber Kindern, Eltern und den Kolleginnen auszudrücken und ihnen zuzuhören: Was ist Dir wichtig? Was mir? Wo können wir verbindende Linien finden? Damit ist jedoch das Potenzial der GFK und das der Gewaltfreiheit für die Kita noch lange nicht erschöpft. Es lohnt sich, sich den Quellen der GFK zuzuwenden. Seitdem ich mich damit befasse, umschreibe ich das Herangehen von Marshall Rosenberg nicht mehr eher verschämt als wertschätzende, verbindende oder empathische Kommunikation, um die Negation „Gewaltfrei“ im Begriff zu vermeiden. Vielmehr betone ich nunmehr: „Ja, ich wünsche mir eine gewaltfreie Kita!“ In dieser Betonung liegt meines Erachtens eine Kraft, die der frühpädagogischen Landschaft gut tut.

Was heißt Gewaltfreiheit?

Das Wort „Gewalt“ leitet sich vom Althoch-deutschen „waltan“ „stark sein, beherrschen“ ab. Gewalt auszuüben heißt, jemanden den eigenen Willen zu unterwerfen und diesen Menschen in seinem Potenzial einzuschränken. Gewaltfreiheit heißt für mich dann auch, allen Beteiligten zu ermöglichen, ihr tatsächliches Potenzial zu leben. Marshall Rosenberg nannte seinen Ansatz in Reverenz zu Mahatma Gandhi „Gewaltfreie Kommunikation“. Der indische Freiheitskämpfer bekam den Namen „Mahatma“ („Große Seele“), weil er mit gewaltlosen Aktionen für die Anliegen der unterdrückten indischen Bevölkerung stritt. Er wollte mit „Satyagraha“ überzeugen, mit „Gütekraft“. Dieses Wort wurde später mit Gewaltfreiheit übersetzt. Gandhi war davon überzeugt, dass eine Person sich selbst schädigt, wenn sie passiv bleibt und nichts gegen Unrecht tut. Zum einen, weil sie Unrecht an sich selbst zulasse. Zum anderen, weil sie sich mit Selbstvorwürfen plage. Er definiert „Gewaltfreiheit“ als „Festhalten an der Wahrheit, Kraft der Wahrheit“ oder „Liebes- oder Seelenkraft“. Sie verlange, dem Gegner keine Gewalt anzutun. „Er muss vielmehr durch Geduld und Mitgefühl von seinem Irrtum abgebracht werden.“ Dafür war Gandhi bereit, einiges auf sich zu nehmen: „dass man die Wahrheit verteidigt, indem man nicht dem Gegner, sondern sich selbst Leiden zufügt“ (Gandhi 1991, 6). „Leid“ auf sich nehmen, weil man seinen ganzen Mut zusammennimmt, Ängste und Unsicherheiten überwindet, vielleicht auch Einsamkeit oder Anfechtungen aushält, um sich zu zeigen und für eine Sache zu streiten. Ähnlich beschrieb der afro-amerikanische christliche Prediger Martin Luther King sein friedvolles Handeln. Er nahm die Rassentrennung in den USA nicht widerstandslos hin, sondern führte während der Rassenauseinandersetzung in den USA der 1960er Jahre den Widerstand ohne Gewalt an. Dabei setzte er auf „Agape“, uneigennützige Liebe. Sie sucht das Beste in den anderen, löst sich vom Freund-Feind-Denken und entwickelt Mitgefühl selbst für die Peiniger: „Bringt so viel Liebe auf, dass ihr Böses hinunterschlucken könnt, und so viel Verständnis, dass aus Feinden Freunde werden⌊ ⌋… Wir sind in einem unentrinnbaren Netz wechselseitiger Abhängigkeit verfangen und in ein einziges Gewand gemeinsamen Schicksals verwoben. Was den einen unmittelbar betrifft, betrifft alle anderen mittelbar“ (zitiert nach Härtel 2009, 47 sowie 65 – aus King Freiheit, 132). King war wie Gandhi davon überzeugt, „dass Gewaltlosigkeit nicht unfruchtbare Passivität ist, sondern eine mächtige moralische Kraft, die gesellschaftliche Wandlungen herbeiführt“ (zitiert nach ebenda, 106). Gewaltfreiheit ist nicht einfach die Abwesenheit von Gewalt. Gewaltfreiheit bedeutet für mich, diese moralische Stärke zu nutzen und eine große, vor allem innere Kraft aufzubringen, um auf das Gegenüber einzuwirken. Gelingt es, in dem anderen Menschen seinen positiven Wesenskern zu berühren und ihn in seiner Würde anzusprechen, damit auch er im Interesse der Verbundenheit und des Wohlergehens der Gemeinschaft umdenkt und anders handelt?

Gelingt es, die gewaltvoll handelnde Fachkraft als Subjekt zu sehen?

Was bedeutet diese Definition für die Auseinandersetzung mit der Gewalt durch pädagogische Fachkräfte in der Kita?

Aus Sicht der GFK ist als erstes eine authentische Selbstmitteilung gegenüber der/dem gewaltvoll handelnden Kollegin notwendig. Es gilt, auszusprechen, was wir wahrnehmen und dieses Verhalten nicht mehr schweigend hinzunehmen. Diese Rückmeldung wird wirkungsvoller sein und eher gehört werden können, wenn sie ehrlich, aus einem friedlichen Herzen, ohne Anspannung und Ärger ausgesprochen wird, vielleicht in den vier Schritten.

Beispielsweise:
„Ich sehe oder höre, wie Du Max aufforderst, Spinat zu essen, obwohl er gesagt hat, dass er den nicht mag (Beobachtung)
Ich bin ziemlich durcheinander (Gefühl), weil mir Respekt vor dem Willen des Kindes und seine Selbstbestimmung (Bedürfnis) wichtig sind.“

Dazu gehört außerdem, eine Bitte zu äußern. Das kann eine Handlungsbitte sein:
„Kannst Du einfach mal durchatmen…/Ist es Dir lieber, wenn ich hier übernehme?
Oder eine Beziehungsbitte: „Ich würde gern wissen, wie es Dir gerade geht.“

Vielleicht muss ich auch ehrlich zugeben, dass ich gerade so empört bin, dass ich meine Urteile kaum in Zaum halten kann, es auch nicht schaffe, mit ruhiger Stimme zu sprechen, weil dieses Handeln so meinen Werten widerspricht.
In diesem Sinne wird die Mitteilung auf jeden Fall deutlicher ausfallen, wenn ein Übergriff beobachtet wurde, wenn Kinder von Fachkräften geschupst, gezogen, gestoßen, gehänselt wurden o.ä.. Dann braucht es das klare Stopp und Nein, schützende Macht im Interesse des Lebens, mit eindeutiger Stimme gesprochen:

„So geht es nicht. Mir ist körperliche und seelische Unversehrtheit wichtig. Lass das Kind los/ tritt einen Schritt zurück/sei still…“ 

Es ist eine riesige Herausforderung, nicht in der Entrüstung stecken zu bleiben, sie vielmehr zu verwandeln, in das, was mir wichtig ist und eine Bitte zu formulieren, die nicht besserwisserisch ist und nun die Würde jener Fachkraft verletzt.
Dabei ist das nur der Anfang. So wichtig und notwendig es ist, übergriffiges und grenzverletzendes Verhalten zu stoppen, ist es aus der Warte der GFK nämlich nicht das Ziel, dass sich eine Person mit seiner Position durchsetzt. Vielmehr geht es darum, nach dem Stopp in solch eine Verbindung miteinander zu kommen, dass die Bedürfnisse beider Seiten gesehen und berücksichtigt werden können und Frieden möglich ist.

Das könnte auch durch empathisches Zuhören geschehen: „Du hättest so gern, dass Max den Spinat isst. Das wäre so viel leichter für Dich, stimmt das?“


In doppelter Hinsicht ist deshalb jene Person, die eingreift und sich für Gewaltfreiheit einsetzt, herausgefordert, „Leid“ auf sich zu nehmen und Stärke zu beweisen.
Zum einen geht es darum, sich ehrlich durch eine Mitteilung oder das Zuhören zu zeigen – und eben nicht zuzulassen, dass Gewalt tabuisiert und hingenommen wird, sondern aktiv für Kinder einzutreten. Bereits hier gibt es viel Unsicherheit und Angst, wenig Übung, nicht nur in der Kita. (lies dazu gerne auch den Artikel „Gewalt durch pädagogische Fachkräfte – (M)ein Dilemma zwischen Hinsehen und wegsehen“). Zum anderen sind wir darüber hinaus herausgefordert, „Geduld und Mitgefühl“, wie es bei Gandhi heißt, für jene Fachkraft aufzubringen, die gewaltvoll handelte. Ihr gewaltfrei gegenüber zu treten verlangt, „negative Einstellungen, die uns beherrschen, in positive Einstellungen umzuwandeln“, wie Arun Gandhi, der Enkel von Mahatma Gandhi schreibt (Rosenberg 2004, 10).


Wir würden Gewalt mit Gegengewalt beantworten, wenn wir jene Fachkräfte, die Kinder zum Essen zwingen, hänseln, schupsen, beleidigen oder in anderer Form ihre Macht missbrauchen, ebenso gewaltvoll als Objekt behandeln und entmenschlichen, indem wir sie nur zurückweisen und ihnen Einhalt gebieten. Deshalb braucht es das Empowerment der Gewaltfreiheit für die Kollegin, Leiterin, Fachberaterin, Trainerin und alle anderen Beteiligten, um auch die Gefühle und Bedürfnisse der gewaltvoll handelnden Fachkraft sehen zu können. Gewaltfreiheit heißt hier, sie mit Mitgefühl zur Umkehr zu bewegen. Das geht nicht auf die Schnelle. Auf dem Weg dahin sind häufig Urteile und Bewertungen zu überwinden.

Grenzsetzung in Würde

Was denken wir für gewöhnlich über eine Fachkraft, die gewaltvoll handelt? Betrachten wir sie als rücksichtslos, unwürdig, grob, verletzend, unfähig, starr, lernunwillig, schwach…. Oder welche anderen Zuschreibungen gibt es? Bemerken wir, dass wir damit die andere Person zu einem Objekt machen und nicht mit Würde behandeln? Hinter unseren Zuschreibungen verbergen sich Urteile, die auf eigene, unerfüllte Bedürfnisse verweisen und zu einer inneren Anspannung führen.
Wie wäre es, rücksichtsvoll, würdig, feinfühlig und aufmerksam, fähig, beweglich, lernbereit und stark zu sein und genau mit diesen Qualitäten der Fachkraft zu begegnen? Gelingt es, wie Marshall Rosenberg sein eigenes Modell beschrieb, „unser einfühlendes Wesen“ zu entfalten, „wenn die Gewalt in unserem Herzen nachlässt“ (Rosenberg 2004, 22).

Sind wir bereit, einer Fachkraft tief zuzuhören, die will, dass ein Kind den ungeliebten Spinat ist? Was ist ihr wichtig? Können wir für sie offen sein und ihr ermöglichen, über sich zu sprechen. Dabei geht es nicht um eine Rechtfertigung. Vielmehr könnten wir ihren unbewussten Handlungsgrund berühren, verstehen und auflösen. Vielleicht musste sie selbst als Kind Spinat essen, ob sie wollte oder nicht. Oder ist sie unsicher, was sie den (für das Essen in der Kita zahlenden) Eltern sagen soll, wenn die Mahlzeit unberührt bleibt. Oder sie ist überzeugt, dass dieses Kind auch etwas Gesundes essen soll. Sicher hat sie für sich einen „guten Grund“.

An dieser Stelle höre ich Kita-Leiterinnen argumentieren:

Darüber haben wir nun wirklich lang und breit gesprochen. Die Debatte ist für mich beendet. Hier gelten die Kinderrechte. Wir halten uns an die Konzeption.

So wahr das ist, ist diese Realität womöglich bei der/dem betreffenden Kollegin noch nicht voll und ganz angekommen. Möglicherweise haben sie das Wissen, jedoch nicht die innere Überzeugung und Bereitschaft, vielleicht auch nicht die Fähigkeit, genau in der konkreten, auch ange- spannten Situation danach zu handeln. Diese Tatsache zu ignorieren ist genauso Gewalt. Die Kita-Leiterinnen bringen hier ihre Macht zur Geltung und setzen nicht auf Verbindung und Empathie. Sie wollen eine Regel und gesetzliche Verpflichtung durchsetzen, ohne auf die Fachkraft zu blicken.

Akzeptanz für das was ist

Hier kommt eine weitere Quelle für Marshall Rosenberg bei der Entwicklung der GFK ins Spiel: Carl Rogers, der die klientenzentrierte Gesprächstherapie entwickelte. Rogers machte darauf aufmerksam, dass es notwendig ist, etwas zu akzeptieren, ehe es sich ändern kann.

Ist es möglich, erst einmal in einer Situation anzukommen und die Wahrnehmung zu schärfen – dafür wie es dem Kind und der pädagogischen Fachkraft geht? Statt schon wieder zu handeln, zunächst aufmerksam zu werden: Kann die Fachkraft sehen, wie das Kind auf dem Stuhl sitzt, vielleicht wie eingefroren, vielleicht wütend? Kann sie spüren, was das eigene Handeln ausgelöst hat und das auf sich wirken lassen? Was passiert dann? Möglicherweise wird ihr dann bewusst, dass sie eine Grenze über-schritten hat. Oder fällt es ihr schwer, die Kinder feinfühlig in ihrer Befindlichkeit sehen, weil sie müde und erschöpft von der Arbeit am Vormittag ist? Würde es ihr helfen, darüber zu reden, was sie anstrengt, nicht schafft, welches Kind sie auf die Palme bringt und wo sie mit sich selbst unzufrieden ist? Vielleicht ist es möglich, gemeinsam Tempo aus dem Alltag zu nehmen und dem Wunsch, funktionieren zu wollen und stattdessen zusammen achtsam auf die kleinen Momente im Miteinander zu blicken.
Wie viel Zeit bleibt in einer Kita für die Auseinandersetzung mit Fragen, Zweifeln, Ängsten, Widerständen? Gibt es genügend Aufmerksamkeit und Wertschätzung für die Energie, die Fachkräfte aufbringen, um in einem zwar vorstrukturierten, gleichwohl ständig neuen Alltag mit den Kindern spontan und kompetent zu handeln?

Wie unterstützen sich Kolleginnen im Team miteinander zu lernen und an manchen Stellen quasi auch „nachzureifen“, um den Anspruch der Kinderrechtskonvention nach einer Begegnung in gleicher Würde gerecht zu werden? Gerade im Interesse einer gewaltfreien, würdevollen Beziehung zwischen Kindern und pädagogischen Fachkräften müssen dazu meiner Meinung nach diese innersubjektiven Fragen nach Haltungen und Handlungen immer wieder neu und konkret beachtet und besprochen werden. Denn durch den Alltag mit den Kindern werden immer wieder neue, tiefere Schichten der Persönlichkeit auch einer Fachkraft berührt und angesprochen und wollen oft auch geheilt werden. In Kitas, in denen es dafür eine entsprechende Teamkultur gibt, werden Fachkräfte freundlich und klar miteinander sprechen und sich unterstützen, präsent, offen und empathisch gegenüber den Kindern zu sein. Häufig jedoch wird die „richtige“ Haltung nur vorausgesetzt und gefordert, als könne man in sie einfach hineinschlüpfen wie in ein Kleid von der Stange. Wie oft fehlt der Raum zum Lernen und zum Austausch, um die für den Menschen und die Situation passende Haltung immer wieder zu finden und zu überprüfen? Hier geht es um Maßschneiderei in der Beziehungsarbeit.

Gemeinsames Eintreten für bessere Bedingungen in der Kita

Seitdem 2001 die Ergebnisse der ersten PISA-Studie veröffentlich wurden, prasselt eine Forderung nach der anderen auf die Kitas ein. Längst ist das „Umsetzungsdilemma“ benannt, das dadurch entstanden ist: Die Verbesserung der Rahmenbedingungen hält nicht mit den Anforderungen Schritt. Daran ändert auch das Gute-Kita-Gesetz, vor allem in den neuen Bundesländern kaum etwas. Jetzt komme ich mit dem Wunsch nach Gewaltfreiheit dazu. Der betrifft für mich eine Grundfeste der Pädagogik: dass eine freundliche, wohlwollende Atmosphäre in der Kita herrscht, damit Kinder gern, frei und froh all das lernen können, was das Leben ausmacht. Dafür ist es notwendig, nach den Fachkräften zu schauen, die dies umsetzen. Wie geht es ihnen? Welchen Bedingungen finden sie für ihre Arbeit in ihrer Kita, bei ihrem Träger, ihrem Land vor? Wie viel Wertschätzung lebt ein Team miteinander? Wie frei und offen sind die Fachkräfte für ihre Arbeit? Ich kenne Kitas, in denen ich gern noch einmal Kind sein würde, weil es spannende Räume, viel Freiraum und dazu eine neugierige, freundliche Begleitung durch die Fachkräfte gibt. Und ich kenne Teams, in denen eine Fachkraft fünf, sechs, sieben von den jüngsten, mit der Kita vollkommen unvertraute Kinder in den Alltag eingewöhnen und sie gleichzeitig beim Essen, Spielen, Schlafen, Anziehen begleiten soll, Einrichtungen, in denen die Fachkräfte nicht wissen, wie sie den Tag überstehen sollen, weil viele Kolleginnen ausgebrannt und krank sind und kein Ersatz da ist.
Gewiss ist hier ein Punkt, die Organisation der Arbeit in der Kita zu überprüfen und sich für neue Formen der Zusammenarbeit zu öffnen. Sich allerdings auch zu öffnen für die Überforderung und Gewalt, die Fachkräften sich unter diesen Umständen antun oder ihnen angetan wird.

Laut einer Umfrage fühlen sich 40 Prozent der Fachkräfte durch die Anzahl der Arbeitsaufgaben überfordert und meinen 33 Prozent der Befragten, keine Pause machen zu können (Kunz 2014). In einem Interview mit Kindern fragte ich einmal, ob sie sich vorstellen könnten, Erzieher*in zu werden. „Nein“, war die Antwort der meisten Sechs bis Achtjährigen. Eine sagte: „Das ist so anstrengend, auf viele Kinder aufzupassen, dass die keinen Quatsch machen.“ Die Kinder erkannten, dass die Fachkräfte an die Grenze kommen und deshalb über ihre Grenzen gehen. Welch fatale Botschaft für die Jüngsten: Mit ihnen zusammen zu sein ist eine Last! Für Gewaltfreiheit in der Kita einzutreten heißt für mich deshalb vor allem, sich gegenseitig zu stärken und sich um die Situationen zu kümmern, in denen Fachkräfte unter Druck geraten und nicht offen für die Kinder sein können. Diese sollten deutlich und gleichzeitig empathisch angesprochen werden und dabei kann die GFK helfen. Für mich geht es aber noch weiter. Wir sollten auch über gute gewaltfreie Aktionen nachdenken, um die Öffentlichkeit und die vor allem die Politik davon überzeugen, dass pädagogische Fachkräfte unbedingt bessere Arbeitsbedingungen brauchen und dass mehr, besser ausgebildetes und bezahltes Personal für die Kinder im Alltag präsent sein muss.


Barbara Leitner ist Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC) und arbeitet als Prozessbegleiterin und Coach in Berlin und Umgebung. Sie unterstützt vor allem Kita- und Schulen mit den Mittel der GFK bei der Team- und Qualitätsentwicklung und unterstützt Menschen, die mit Kindern arbeiten und leben, ihre Beziehungen mit den Heranwachsenden würdevoll zu gestalten. Sie koordiniert die Kita-Fachtexte und von ihr erscheint gerade im Junfermann-Verlag das Buch „Gewaltfreie Kommunikation in der Kita“

Kontakt: www.gfk-in-kita-und-schule.de und barbaraleitner.de


Quellen:
Gandhi, M. K. (1991): Satyagraha. Navajivan Press, Ahmedaba 14
Härtel, K. D. (2009): Martin Luther King ‚Ich habe einen Traum‘. Brunnen: Gießen. 3. überarbeitete Auflage
Kunz, T. (2014): Psychische Belastungen und Beanspruchungen in
Kindertageseinrichtungen – und was man dagegen tun kann. Verfügbar unter:http://www.universum.de/uploads/607/Psychische_Belastungen_und_Beanspruchungen_in_Kindertageseinrichtungen.pdf, Zugriff am 2.10.2018.
Rosenberg, M.B. (2004): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Paderborn: Junfermann, 5. Überarbeitete und erweiterte Auflage.

Gewaltvolles Verhalten durch pädagogische Fachkräfte – eine Sammlung

„Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ (Anke Elisabeth Ballmann)

Kinder als Bestrafung ohne Worte stehen lassen, alleine (stehen) lassen

Manipulation: „nur wenn du das aufisst, wirst du groß und stark“

„Wenn die Lara das Ei nicht bastelt, bekommen ihre Eltern halt kein Ostergeschenk“

„Wenn der Viktor nicht mit reinkommt, bekommt er eben kein Mittagessen“

Beschämung/ Bloßstellen: z.B. Kind hat während der Mittagsruhe eingepullert und wird von der Erzieherin vor den anderen Kindern bloß gestellt: „siehst du Lisa, ich hab’s dir gesagt! Wärst du vorhin auf’s Klo gegangen“. Zu den anderen Kindern: „also so wie der Jan das macht, geht das nicht. Bei ihm dürft ihr das euch nicht abschauen“

Angst machen: „wenn du nicht artig bist, holt deine Mama dich nicht ab“

„hör sofort auf, sonst kommt dein Schnuffi (Kuscheltier) weg“

2. Verbale Gewalt

Im Beisein des Kindes schlecht über es sprechen: mit den Eltern oder einer anderen Fachkraft. „Also die Lina ist ja echt schüchtern, schlimm, mit ihr kannst du nichts unternehmen. Das ist weil ihre Mutter sie noch stillt“ (Während Lina mithörten kann)

Sarkasmus: „man du bist ja echt schlau“ und meint eigentlich „man bist du dumm“

Widersprüchliche Aussagen (Double-bind): in höchst zynischem Ton: “na das hast du ja wunderbar gemacht”, “ganz toll!” “so ein kluges Kind bist du” wenn das Kind eigentlich etwas falsch gemacht hat.

Anschreien, Ausschimpfen: (in sehr lautem aufbrausenden Tonfall): „was steht ihr denn hier rum? Ihr solltet euch doch anziehen. Manuel, du sitzt ja nur da rum, mach, dass du dich anziehst. So wird das nie etwas mit dir werden“

verbale Abwertung: „bist du dumm“, „das schaffst du ja eh nicht“, „so wird nie etwas aus dir!“, „du stellst dich ja an“

Fixieren: am Stuhl, Lätzchen unter Teller festklemmen, in Hochstuhl festsetzen ohne Bewegungsspielraum und die Möglichkeit aufzustehen, am Bett fixieren, auf dem Töpfchen/Klo festbinden

Zerren, Schubsen, ohne Ankündigung Herumreißen, Hochreißen (bei Krippenkindern)

4. Bestrafung

Strafen androhen
„Wenn du nicht sofort aufräumst, gehst du in die Krippe“

Strafen durchführen: Kind sozial isolieren: auf den stillen Stuhl, stille Treppe, alleine in die Garderobe schicken, Auszeit, Time-out

weitere Beispiele für Bestrafungen: das Kindergartenkind in die Krippe schicken, vor die Tür setzen, zur Strafe als letztes etwas auswählen dürfen, o.ä.

5. Zwang/ Nötigung

Kind zwingen z.B. seinen Schnuller abzugeben, zum Wickeln zwingen

Rigide Schlafenszeiten/ Schlafzwang: Schlafen müssen obwohl nicht müde, liegen bleiben müssen, „Bewachung“ durch Fachkraft, Runterdrücken, Festbinden, still liegen müssen

Zum Essen drängen/ zwingen: Probieren müssen, zum Probieren drängen, aufessen müssen, etwas essen müssen bevor man etwas anderes darf (z.B. den Nachtisch, Aufstehen, Spielen gehen), zum Essen manipulieren: „nur wenn du das Fleisch isst, wirst du groß und stark“

Nötigung zum aufs Töpfchen/ Klo gehen: auf’s Klo gehen müssen, z.B. in der Toilette einsperren bis das Kind auf Toilette gegangen ist, mehrfaches Überreden auf’s Klo zu gehen, lange auf dem Töpfchen/ Klo sitzen müssen (bis etwas kommt)

6. Unterlassen von Hilfeleistung

Trost verweigern: Kind weint streckt die Arme nach der Erzieherin aus und sagt: „nein ich nehme dich nicht hoch. Das musst du lernen“

Verweigern von Nähe und Tragen obwohl das Kind deutliche Signale zeigt, dass es getragen werden möchte. Mehr dazu auch in folgendem Artikel: https://www.beduerfnisorientierte-kinderbetreuung.de/zu-viel-naehe-gibt-es-nicht-auch-nicht-im-paedagogischen-kontext

Bedürfnis nicht ernst nehmen und unbeantwortet lassen: „der will nur Aufmerksamkeit“ und nötige Hilfe unterlassen „ach ja, der Leon, der macht immer einen Aufstand um nichts“

7. Diskriminieren

Lieblingskinder bevorzugen

Kinder in ihrem Beisein miteinander vergleichen
„schau mal, der Levi kann sich aber schon alleine anziehen. Das müsstest du auch längst können

Kinder diskriminieren:

8. Sexuelle Gewalt

Ungenügende Nähe-Distanz Regulation z.B. wenn Fachkräfte sich ihre eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Zuwendung durch die Kinder befriedigen: z.B. kuscheln obwohl das Kind nicht will, das Kind küssen, eine Innigkeit herstellen, die über die Grenze des Kindes geht.

Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es handelt sich um eine Sammlung von selbst erlebten Beispielen, berichteten Beispielen und Beispielen aus den angegebenen Büchern.

Wie es mir damit geht, Fehlverhalten in Kindertagesstätten zu beobachten und nicht zu wissen, wie ich damit umgehen soll, könnt ihr in diesem Artikel von mir nachlesen: https://www.beduerfnisorientierte-kinderbetreuung.de/gewalt-durch-paedagogische-fachkraefte-mein-dilemma-zwischen-hinsehen-und-wegsehen

Literaturangaben:

Jörg Maywald (2019): Gewalt durch pädagogische Fachkräfte verhindern.

Anke Elisabeth Ballmann (2019): Seelenprügel. Was Kindern in Kitas wirklich passiert.

https://www.donbosco-medien.de/gewalt-durch-paedagogische-fachkraefte-ein-tabu-broeckelt/b-1/484


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