“NEIN” sagen (dürfen)! Wie Kinder lernen sich abzugrenzen

ich habe vor kurzem ein tolles Zitat gelesen. Leider habe ich vergessen woher es stammt. Es lautete in etwa so: 

wir gehen ständig über die Grenzen der Kinder. Gleichzeitig versuchen wir ihnen beizubringen, dass sie ihre Grenzen wahren sollen

Das ist doch wirklich absurd. Oder?

ZUERST fordern wir Kinder dazu auf, 

… sich zu entschuldigen obwohl sie keine Schuld tragen

… aufzuessen obwohl sie satt sind

… zu probieren obwohl sie sich ekeln

… zu schlafen obwohl sie nicht müde sind

… Fachkräfte zu umarmen obwohl es ihnen unangenehm ist

… Spielsachen zu teilen obwohl sie sehr wichtig für ihr Spiel sind

… immer im Sichtfeld zu bleiben obwohl sie sich Ruhe wünschen

… mit einem bestimmten Kind zu spielen obwohl sie nicht mit diesem Kind spielen wollen

… zu grüßen obwohl es ihnen vielleicht unangenehm ist

… mit Kosenamen zu rufen obwohl sie das nicht mögen

… über ihre Köpfe zu streicheln obwohl sie es nicht mögen

… an ihren Wangen zu kneifen obwohl sie es nicht mögen

wir manipulieren Kinder, nehmen ihre Gefühle und Bedürfnisse oft nicht ernst, übergehen sie und sprechen ihnen ihre Gefühle ab (“da muss man doch keine Angst haben”, “jetzt hab dich nicht so”). Alles in allem gehen wir also – oft unbewusst – immer wieder sowohl über die physischen als auch die psychischen GRENZEN der Kinder hinweg. 

UND GLEICHZEITIG wollen wir, dass Kinder

… alle Grenzen der anderen Kinder wahren

… nie die Grenzen der Erwachsenen überschreiten 

… lernen NEIN oder Stopp zu sagen

… an Anti-Aggressionsprogrammen teilnehmen

… usw.

Ist es nicht ein enormer innerer Konflikt, wenn ich die GRENZEN der anderen wahren soll, ich jedoch ständig selbst erlebe, wie über meine eigenen Grenzen hinweggegangen wird?!

Das NEIN der Kinder akzeptieren

Nur wenn wir ein NEIN der Kinder akzeptieren, lernen sie auch, dass sie IHRE GRENZEN wahren und vertreten dürfen. Wir sollten deshalb die NEINs der Kinder wahrnehmen, akzeptieren, respektieren und tolerieren.

NEINs drücken sich bei Kindern entsprechend ihres Temperaments in unterschiedlicher Form und Klarheit aus: 

  • sie sagen verbal „NEIN
  • sie schütteln (verschüchtert) den Kopf
  • sie schauen weg
  • ziehen sich in sich zurück
  • werden wütend
  • schreien
  • schubsen weg

Es gibt also vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten des NEINs und wir Erwachsene sind in der Verantwortung diese NEINs zu deuten.

Wenn ein Kind sagt, es möchte nicht probieren, sollten wir das NEIN akzeptieren und nicht noch 10 mal nachfragen, ob es nicht doch probieren möchte. Wenn ein Kind alleine auf Toilette gehen möchte, sollten wir das respektieren, wenn ein Kind nicht den Weihnachtsmann basteln möchte weil es momentan für sich sinnvollere Aufgaben hat, sollten wir das NEIN respektieren. Wenn ein Kind von einer bestimmten Fachkraft nicht ausgezogen werden will, sollten wir das respektieren ohne es persönlich zu nehmen. Ich könnte solche Beispiele endlos fortsetzen (kennt ihr noch Beispiele?)

Nur wenn wir dem Kind mit der HALTUNG gegenübertreten, ein NEIN ist in Ordnung, spürt es auch: “ich darf NEIN sagen”. Sehr feinfühlige Kinder merken sehr bald, bei welcher Fachkraft ein NEIN in Ordnung ist und bei welcher Fachkraft man lieber JA anstatt NEIN sagen sollte.

JA sagen wo NEIN gemeint war

Genau an diesem Punkt, wenn Kinder JA sagen müssen, wo eigentlich ein NEIN authentisch gewesen wäre, beginnen sie jedoch ihr Innerstes zu verleugnen und ihre inneren und äußeren Grenzen verschiwimmen. Sie nehmen ihre tatsächlichen Bedürfnisse immer verschwommener wahr. 

Menschen, die auf Dauer lernen, ich sollte lieber immer JA sagen anstatt einem passenderen NEIN leben kein authentisches Leben, sie leben im außen und wenig bei sich, wenig in der eigenen Kraft. Menschen, die nicht NEIN sagen können, geben sich selbst eher auf und haben Angst vor Konflikten. Ein Dauerhaftes nicht NEIN sagen können, schlägt sich in negativer Weise langfristig auf das körperliche und seelische Wohlbefinden nieder. Es kann sogar Depressionen fördern (https://www.angst-panik-hilfe.de/angst-nein-zu-sagen.html) All das wollen wir für unsere Kinder jedoch nicht!

Fachkräfte sind Vorbilder

Neben dem Akzeptieren der NEINs der Kinder können wir gute Vorbilder für die Kinder sein. Wir können authentisch mit unseren eigenen NEINs umgehen.

Dazu bedarf es ein klares, reflektiertes Selbst. Ich brauche KLARHEIT für für das, was mir und der Kita wichtig ist. Es geht folglich um die eigenen Werte und die Werte der Einrichtung. 

  1. Bsp: Wenn ein Kind gerade Schwierigkeiten hat seine Schuhe zu finden und es fragt: “kannst du mir helfen?” Könntest du dich – je nach Fähigkeit des Kindes – sagen: “Nein, ich brauche noch Zeit um die Jacke von Pia zuzumachen. Du wirst deine Schuhe sicherlich alleine finden”. Das Kind wird evtl. frustriert sein, vielleicht schimpfen und ärgerlich auf dich sein. Gleichzeitig bekommt das Kind jedoch die Möglichkeit zu erleben, dass auch ein NEIN als Antwort möglich ist. Dabei hat es die Chance, seinen Frust zu überwinden, sich weiterzuentwickeln und doch selbstständig erfolgreich und stolz zu sein.
  2. Bsp: Ein Kind kommt zu uns und möchte mit uns spielen. Ich spüre in mich rein und merke, ich brauche noch einen Moment, um in Ruhe mein Wasser zu trinken. Ich kann sagen: “Nein, ich brauche noch 2 Minuten. Schau, wenn der große Zeiger auf der 6 ist, komme ich zu euch und dann können wir zusammen spielen”.

Was wir durch unsere NEINS bewirken

Durch unsere NEINs geben wir den Kindern die Möglichkeit 

  1. mit Frust umzugehen
  2. zu wachsen
  3. Konflikte zu üben
  4. Lösungen zu suchen
  5. Charakterstärke zu üben

Ich sage als Fachkraft NEIN um meiner selbst Willen. Das Ziel ist nicht eine erzieherische Maßnahme nach dem Motto: “Kinder brauchen Grenzen und müssen erzogen werden”. Vielmehr gehe ich achtsam und authentisch mit meinen eigenen Bedürfnissen und Grenzen um und sage NEIN. Dadurch können alle Beteiligten der Einrichtung lernen respektvoll mit den eigenen und den Grenzen der anderen umzugehen.

Fragen provozieren ein NEIN der Kinder

Durch meine Fragetechnik kann ich der Wichtigkeit des Bevorstehenden Ausdruck verleihen. Ich mache durch die Art der Frage oder der Aussage deutlich, was mir wie sehr wichtig ist. Ich kann also beeinflussen, wie viel gefühlten Spielraum es für die Kinder gibt mit „NEIN“ zu antworten. Ich stelle Fragen wenn etwas verhandelbar ist und mache Ansagen wenn etwas indiskutabel ist. Eine konkrete Ansage verleiht der bevorstehenden Aktion eine größere Bedeutung. Wenn ich sage: „wir gehen jetzt auf den Spielplatz, zieht euch alle an“ wird ganz klar nicht nach einer Diskussion gefragt.

Fragetechnik wenn ich zeigen möchte, das ist mir jetzt sehr wichtig.

  1. keine Fragen stellen z.B. „wollt ihr auf den Spielplatz gehen?“ wenn es keine Option gibt. Auf eine Frage kann man mit NEIN antworten.
  2. Keine Suggestiv-Fragen: „ihr wollt doch zum Spielplatz oder?“
  3. Eine Bitte kann abgelehnt werden „zieht euch bitte an wir gehen jetzt zum Spielplatz“. Darauf können Kinder mit NEIN antworten.
  4. Nur Sätze, die nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden können „zieht euch jetzt an!“
  5. Eine konkrete Anweisung aussprechen: Wir gehen jetzt auf den Spielplatz. Die Kinder wissen was zu tun ist und sie werden nicht überfordert.
  6. Anweisung bei Bedarf begründen „mir ist es wichtig, dass wir alle zusammen etwas machen“

Nur weil ich eine Ansage gemacht habe, heißt das nicht, dass alle Kinder mit meinem Bedürfnis einverstanden sind. Das müssen sie auch nicht. Ich habe die Wichtigkeit des Vorhabens (mein Bedürfnis) deutlich gemacht: „wir gehen alle zum Spielplatz!“. Wenn ein Kind dagegen rebelliert zeigt es: „ich bin aber nicht damit einverstanden!“ Das ist sein gutes Recht und gut, dass er seinem Bedürfnis Ausdruck verleiht. Nun steht Bedürfnis gegen Bedürfnis.

Wenn ich das NEIN des Kindes nicht akzeptieren kann

Im pädagogischen Alltag treten immer wieder Situationen auf, in denen etwas ansteht, bei dem das Kind nicht NEIN sagen kann. Es ist zum Beispiel klar, dass alle Kinder gemeinsam auf den Spielplatz gehen. Tom möchte aber nicht mit auf den Spielplatz und äußert das deutlich auf seine Art: er beginnt, Unruhe in der Garderobe zu stiften, Quatsch zu machen, Kinder zu ärgern. Er zieht sich in der Garderobe nicht an. Als alle Kinder bereits fertig angezogen sind, hat er immer noch nicht seine Schuhe angezogen. Er sagt auf seine Art NEIN ich will nicht zum Spielplatz“. Was kann ich tun?

Was kann ich konkret tun, wenn das Kind „NEIN“ sagt?

Zunächst kann ich wertschätzen, dass er mir sein Bedürfnis, nicht mit auf den Spielplatz zu wollen, mitgeteilt hat: „gut, dass du mir das sagst, sonst hätte ich gar nicht gewusst, dass du nicht mit möchtest“. Auf diese Weise lernt Tom, dass sein „NEIN“ gehört wird und eine Relevanz erfährt. Die Wertschätzung eines Wunsches bedeutet aber nicht unbedingt, dass dem Wunsch nachgekommen werden muss!

  1. Beschreibung der Situation: „ich sehe du machst hier ganz viel Quatsch und möchtest dich gar nicht anziehen“
  2. Sich einfühlen: „kann es sein dass du lieber hier im Kindergarten bleiben möchtest?“ „Bist du nicht gerne auf dem Spielplatz?“. Dabei darauf achten, welche Sätze bei ihm Anklang finden um herauszufiltern, was sein tatsächliches Anliegen ist. Ob er wirklich nicht mit möchte oder etwas anderes sein Bedürfnis ist.
  3. Gründe herauszufinden: „was magst du auf dem Spielplatz nicht?“ Vielleicht hat das Kind vor etwas Angst? Oder es friert? Oder es gibt etwas auf dem Weg dort hin, das ihm Angst macht?! Mit ihm gemeinsam Gründe herausfinden.
  4. Alternativen/Kompromisse/Lösungen mit dem Kind gemeinsam Lösungen oder Kompromisse herausfinden. z.B. kann das Kind in einer anderen Gruppe bleiben? Er kann immer an der Hand der Erzieherin bleiben wenn er Angst hat? Kinder sind oft äußerst kreativ dabei Lösungen zu finden. Vielleicht hat er selbst gute Vorschläge?! Ansonsten Ideen vorschlagen.
  5. Gefühle begleiten: wenn die Entscheidung der Fachkraft feststeht und kein Kompromiss möglich ist (das ist durchaus legitim), kann man das Kind in seinen Gefühlen (Frust/Ärger/Wut) begleiten. „Ich kann verstehen, dass du enttäuscht/sauer bist. Ich habe gleichzeitig keine andere Möglichkeit.“ Tränen dürfen sein! Dann trösten. Gewöhnlicherweise wirken Kinder wesentlich „aufgeräumter“ nachdem sie weinen und ihrem Frust Luft machen konnten.


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Man kann nicht alles auf den Personalschlüssel schieben – die Haltung ist entscheidend!

Ich lehne mich heute vermutlich sehr weit aus dem Fenster, vermutlich werde ich auch einen SHITSTORM auslösen. Ich möchte meine Gedanken dennoch mit euch teilen:

Ja die Situation mit dem FACHKRÄFTEMANGEL ist schlimm und ja es ist keine ausreichende pädagogische Arbeit möglich weil es viel zu viele Kinder auf viel zu wenige Fachkräfte gibt. Ich gebe euch Recht. Diese nicht zu verleugnende Tatsache möchte ich mit diesem Artikel nicht in Abrede stellen. Ich breche deshalb an dieser Stelle nochmal eine Lanze für all die hervorragenden pädagogischen Fachkräfte, die trotz mangelnder Anerkennung und wirklich harter Arbeit für unsere Kinder da sind. VIELEN DANK DAFÜR!

Dauer Argument Personalschlüssel

Dennoch muss ich sagen, dieses DAUER-ARGUMENT “Personalschlüssel” geht mir mittlerweile gehörig auf die Nerven. Alle Probleme, Missstände und Unannehmlichkeiten der Kinderbetreuung werden auf den Personalschlüssel geschoben. 

“es würden nicht so viele Missstände auftreten wenn der Personalschlüssel besser wäre”

“Die Qualiät wäre besser, wenn der Personalschlüssel besser wäre”

“man könnte mehr bedürfnisorientiert arbeiten wenn man mehr Personal hätte” usw.

Das mag auch in weiten Teilen stimmen und manche Qualitätsbereiche leiden sicherlich auch darunter.

Der Personalschlüssel ist nur ein Teil der Wahrheit

Meines Erachtens ist der Personalschlüssel allerdings nur ein Teil der WAHRHEIT!

Es wird dabei ein ganz entscheidender Faktor außer Acht gelassen: es sind Menschen, die in den Einrichtungen arbeiten, die alle mit ihrer eignen Geschichte, mit ihrer eigenen tief verankerten meist unbewussten Vorstellung von Erziehung mit den Kindern in Kontakt treten. Es sind Menschen, die ihr eigenes INNERES KIND (https://www.psychomeda.de/lexikon/inneres-kind.html) unbewusst mit in die sozialen Interaktionen nehmen.

Aus der Bindungsforschung ist bekannt, dass wir immer in STRESSIGEN Situationen auf unsere tief verankerten Handlungsstrategien zurückgreifen. Diese Strategien haben sich in der Kindheit aufgebaut und festgelegt. In der Bindungsforschung spricht man auch vom INNEREN ARBEITSMODELL (Grossmann & Grossmann, 2004). In den meisten Fällen können wir Menschen dann nur sehr schwer darauf zurückgreifen, was wir in der Ausbildung gelernt, was wir an Fachwissen gewonnen oder uns fest vorgenommen haben. Lest dazu auch meinen Artikel „Warum sich pädagogische Fachkräfte mit ihren eigenen Kindheitserfahrungen, Beziehungsmustern und Glaubenssätzen auseinandersetzen sollten?“

Entscheidend ist die innere Haltung zum Kind

Die innere HALTUNG zum Kind wird maßgeblich durch die eigene Kindheit geprägt. Wenn eine Fachkraft beispielsweise tief verankert den Glaubenssatz mit sich trägt: “Kinder wollen mich ärgern, wollen Situationen austesten, mich herausfordern, mir auf der Nase herumtanzen” gehe ich in Momenten der Überforderung anders mit Kindern um, als wenn ich in mir trage: “Kinder sind kompetente Wesen, die mich als Begleitung brauchen um ihre eigenen Lernziele zu verfolgen, Kinder geben in jedem Moment das Beste, was sie können und sind an Kooperation interessiert.

und die Feinfühligkeit

Ob ein Kind bei einer Fachkraft gut aufgehoben ist (Prozessqualität), bemisst sich auch daran, ob sie sich auf das Kind und seine Bedürfnisse FEINFÜHLIG und RESPONSIV (Remsperger, R., 2011) einstellen kann. Wenn in konfliktreichen Situationen (die es auch gibt, wenn der Personalschlüssel gut ist) eigene innere traumatische Erfahrungen oder Konflikte unbewusst zu Tage treten und sich in der Interaktion mit dem Kind Bahn brechen, kann auch ein besserer Personalschlüssel nur wenig daran ändern. 

BEISPIEL: Eine Fachkraft trägt tiefsitzende Verletzungen hinsichtlich des Gefühls “Wut” unbewusst in sich. Sie hat in ihrem früheren Leben die Erfahrung gemacht, wenn ich wütend bin, werde ich in mein Zimmer geschickt und meine Eltern schimpfen mit mir. Wenn das der Alltag ist, hat sie für’s Leben gelernt, dass sie Wut lieber nicht mehr zeigen sollte. Sie hatte keine positiven Folgen für sie. Sie schließt Wutgefühle folglich für sich ins Unbewusste weg – verdrängt sie. In Konfliktsituationen mit Kindern wird sie allerdings immer wieder mit der Wut, der Wut der Kinder konfrontiert. Im Durchschnitt kann man sagen, dass sicherlich mindestens einmal pro Tag eine Situation auftritt, in der Kinder wütend sind (trotzig), eher häufiger. Jedes Mal wird sie mit ihrer eigenen unverarbeiteten Wut und ihren Glaubenssätzen diesbezüglich konfrontiert. Sie wird unsicher, ohnmächtig, bekommt Angst und reagiert folglich vermutlich wenig feinfühlig auf die Kinder. 

Dass der Personalschlüssel erstaunlich wenig mit der Interaktion der Fachkräfte mit den Kindern zu tun hat, zeigt auch die Wissenschaft. Die neuen OECD Berichte zeigen das (www.oecd.org).

Im SWR2 Forum haben die drei renommierte Fachleute Prof. Dr. Sabine Andresen, Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll und Prof. Dr. Remo H. Largo über das Thema „Kita-Stress“ diskutiert und ebenso meine Annahme bestätigt:

„es hängt erstaunlich wenig an diesen Rahmenbedingungen, sondern es hängt an den sozial emotionalen Fähigkeiten der Bezugserzieherin, gute feinfühlige Interaktionen zu den Kindern aufzunehmen. Also wir wissen, dass die Verdopplung des Personals kaum etwas an der Interaktion zwischen Erzieherinnen und Kindern im Sinne Feinfühligkeit, individuelle Zuwendung, emotionaler Regulation, guter Lernbegleitung, Ansprache ändern würde“

Reflexionsbereitschaft eher bei feinfühligen Fachkräften

Ein guter Personalschlüssel kann dazu beitragen, dass die stressigen, überfordernden Situationen nicht so häufig vorkommen, die Persönlichkeitsmerkmale einer Fachkraft werden sich aber nicht so schnell ändern. Fachwissen und Fortbildungen sind natürlich eine Stütze und können Reflexionen anstoßen. Das innere Kind zu verändern braucht allerdings Zeit, eine große Portion Offenheit, Reflexionsbereitschaft und VERÄNDERUNGSWILLE. Denn eine innere Veränderung kann unter Umständen auch sehr schmerzvoll sein.

Eine solche REFLEXIONSBEREITSCHAFT erlebe ich (subjektive Beobachtung!) meistens jedoch bei den Fachkräften, die sowieso schon feinfühlig sind und sich gut auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen können. Feinfühlige Fachkräfte sind meist auch diejenigen, die sich auf Reflexionsübungen freuen und der Auseinandersetzung mit dem Selbst etwas positives abgewinnen können.

Meine Erfahrung aus der beruflichen Praxis ist, dass Fachkräfte, bei denen es mir kalt den Rücken runter läuft, wenn sie mir von ihren Erziehungsvorstellungen berichten, genau diejenigen sind, die auch Reflexion und Veränderung weitestgehend ablehnen. „Läuft doch alles“, “das haben wir schon immer so gemacht”, “mir hat es auch nicht geschadet”. Jedes Mal wenn ich diese Sätze höre, denke ich, “wie tief die Verletzungen sein müssen, dass Reflexion und Veränderung eine so vehemente Ablehnung erfährt  

Was ist die Lösung?

Mein Ziel ist es nicht mit dem Finger auf Fachkräfte zu zeigen. Mein Ziel ist es, die Bedeutung der Reflexion eigener Wesensanteile für Fachkräfte deutlich zu machen, um so die Feinfühligkeit sowie die Prozessqualität in den Einrichtungen zu erhöhen.

Eine LÖSUNG habe ich auch nicht. Denn was soll man tun, wir haben viel zu wenige Fachkräfte und brauchen händeringend neue. Wir haben nicht genug Fachschullehrer, nur zum Teil kompetente Fachschullehrer und ein Curriculum, das eine falsche Priorität in der ErzieherInnenausbildung setzt. Der Fokus müsste viel mehr auf BIOGRAFIEARBEIT, Selbsterfahrung und Selbstreflexion gelegt werden.

Liebe Grüße, Lea

Grossmann K. E. & Grossmann, K. (2004): Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.

Remsperger, R. (2011): Sensitive Responsivität. Zur Qualität pädagogischen Handelns im Kindergarten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.


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Probier- oder Kostehappen- NEIN danke!

Wer kennt ihn nicht den allbekannten Koste-, Probierlöffel oder Probierhappen. Viele Fachkräfte wollen, dass Kinder “zumindest mal probieren” auch wenn das Kind NEIN sagt und keinen Spinat, keinen Salat, kein Fleisch o.ä. essen möchten.

Viele Fachkräfte erhoffen sich davon, dass das Kind gesünder isst oder auch durch das Probieren Gefallen an diesem Essen findet. Das Gegenteil ist der Fall!

Stellt euch mal vor, ihr hättet euer allerliebstes Mittagessen vor euch stehen – ihr habt so richtig Lust darauf. Jetzt kommt Jemand und schöpft euch (evtl. sogar ohne euch zu fragen) einen Klecks von dem ungeliebten Essen mit auf den gleichen Teller. Würde euch da nicht auch die Lust auf das Lieblingsessen vergehen? Würde nicht sogar ein Ekel aufkommen, der euch das ganze Essen vermiest?!Für die Zukunft würde das für mich vielleicht sogar bedeuten, ich mag das ungeliebte Essen noch weniger. Es könnte sogar sein, dass für mich die Essenssituation im Kindergarten auf Dauer einen negativen Beigeschmack hat – mir die Essenslust vergangen ist.

Sollte es nicht das ZIEL im Kindergarten sein, die Freude und Lust am Essen bei den Kindern zu erhalten? Sollte es nicht das Ziel sein, ein gesundes Verhältnis zum Essen zu bewahren? Ich halte es für sehr wichtig, den Kindern die Kompetenz zuzusprechen, für sich selbst am besten entscheiden zu können, was ihnen kulinarisch gut tut und was nicht. Es sollte ihnen selbst überlassen bleiben, wann sie etwas probieren möchten und wann nicht.

Druck von außen führt eher dazu, sich von dem ungeliebten Lebensmittel fern zu halten oder sogar sein ganzes Leben zu verabscheuen.

Meine Erzieherfachschüler antworten meistens auf diese Annahme mit: “stimmt, das was ich damals essen sollte, mag ich noch heute nicht!”

Kennt ihr das auch? Wie geht ihr in der Praxis mit dem Probieren um?


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“Das macht man doch nicht” – aggressives Spiel unter Kindern

Kennt ihr diese Situation? Ein fünfjähriger Junge rammt mit dem Laufrad ein zweijähriges Mädchen auf einem Dreirad. Das Mädchen wird bei jedem Aufprall durchgeschüttelt. Es lacht dabei immer wieder laut auf. Eine Fachkraft schimpft mit dem größeren Kind und ermahnt es damit aufzuhören “das macht man nicht Tim”. Der Junge schaut erschrocken zur Erzieherin, dreht sich nach kurzer Zeit wieder um und rammt das Kind erneut. Nun läuft die Fachkraft mit wütendem Schritt auf den Jungen zu und nimmt ihm forsch das Laufrad weg. Tim steht etwas betröppelt da. 

Was ist passiert?

Die Fachkraft empfindet das Auffahren vermutlich als für sie selbst unangenehm, ihr würde das evtl. nicht gefallen, wenn sie das Kind wäre. In ihr laufen blitzschnell innere Stimmen ab, die ihr sagen: “das macht man doch nicht”. “Rammen ist unerhört”, “aggressiv”, “wenn der Junge das noch macht wenn er größer wird, bin ich vielleicht daran Schuld weil ich ihn nicht erzogen habe”. Während dieser unbewusst sorgenvollen Vermutungen, verliert sie den Blick für die tatsächlichen Bedürfnisse der Kinder und handelt schlicht aus ihrem ersten Impuls heraus, der sich ihrer naheliegendsten Handlungsstrategien bedient. Sie greift ein, “das kann ich so nicht durchgehen lassen!”.

Man kann ihr dieses Vorgehen nicht vorwerfen, denn sie hat getan, was sie tuen konnte, sie hat ihr bestes gegeben.

Zurück bleiben zwei Kinder im luftleeren Raum

Den Kindern hingegen wurde damit Unrecht getan und zwar nicht nur Tim sondern auch dem Mädchen. Beide hatten sehr viel Freude an dem Spiel und zeigten keinerlei Anzeichen, dass ihre Grenzen überschritten wurden, ganz im Gegenteil! 

  • zurück bleibt ein Junge, der vermutlich traurig ist weil er ein lustiges Spiel nicht weiter verfolgen konnte und das obwohl Lachen das Gesündeste der Welt ist.
  • zurück bleibt ein Junge, der vermutlich verwirrt ist weil er nicht versteht, warum er mit dem Rammen aufhören sollte, obwohl das Mädchen sehr viel Spaß gezeigt hatte.
  • zurück bleibt ein Junge, der vermutlich verärgert ist weil er nun sein geliebtes Laufrad weggenommen bekommen hat. Er ist zudem verwirrt, da es doch immer wieder heißt, er selbst solle nichts wegnehmen.
  • zurück bleiben zwei Kinder, die aus einem wunderbaren Spiel gerissen wurden und sich nun im luftleeren Raum bewegen. Sie sind auf der Suche nach einem neuen für sie passenden Spiel, bei dem sie etwas lernen können. Bis dahin sind sie erstmal damit beschäftigt innerlich mit ihrem Frust, ihrer Enttäuschung und ihrer Wut umzugehen.

Ich stelle mir zu der Situation noch eine Frage: wäre die Fachkraft auch eingeschritten, wenn das kleine süße Mädchen den “Raufbold” Tim gerammt hätte? Wir folgen bei sanktionierendem Verhalten oft unseren inneren Vorurteilen. “Der Junge kann das schon ab aber das kleine süße zerbrechliche Mädchen doch nicht. Ihr muss ich helfen!”

Was hätte man tun können?

  • Die Situation aus der Ferne beobachten. Die verbalen und mimischen Ausdrücke der Kinder verraten, ob ihre Grenze noch gewahrt ist.
  • Selbsteinfühlung: wie geht es mir dabei, was empfinde ich? Übertrage ich mein ungutes Gefühl auf die Kinder? Ist nur meine Grenze überschritten oder auch die der Kinder?
  • Auch unser Bedürfnis spielt in der bedürfnisorientierten Kinderbetreuung eine wichtige Rolle. Wenn ich Angst habe, sie könnten sich verletzen oder die Spielgeräte könnten dabei kaputt gehen, darf ich einschreiten. Ich könnte dann sagen: “oh ich sehe, ihr zwei wollt gerade ineinander fahren. Wisst ihr, ich habe Sorge, dass dabei die Fahrzeuge kaputt gehen. Helft mir mal, vielleicht könnt ihr noch mit etwas anderem ineinander fahren? Oder laufen?

Wir wissen schließlich nicht, was bei dem Spiel die Lernabsicht der Kinder war! Auch ein vermeindlich “aggressives” Spiel kann durchaus lustvoll für Kinder sein. Mehr als sonst sollte dabei darauf geachtet werden, dass die Grenzen aller Beteiligten gewahrt bleiben.

„Justus, achtest du bitte immer darauf, ob Greta dieses Spiel noch gefällt“


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Eine Auszeit als Strafe ist grenzüberschreitend

Heute geht es um ein nicht sehr erfreuliches Thema, aber eins, das mir sehr am Herzen liegt. Ich habe in meinem beruflichen Alltag bereits ein paar Mal gesehen, wie Kinder als Strafe für ein unerwünschtes Verhalten alleine in der Garderobe sitzen mussten. Die anderen Kinder haben derweil weiter im Gruppenraum gespielt oder sind als Gruppe rausgegangen. Das heißt, die betroffenen Kinder waren für einen längeren Zeitraum auf sich gestellt.

Zunächst möchte ich klar feststellen, der Ausschluss aus einer sozialen Gruppe als Bestrafung ist eine klare Grenzüberschreitung und nicht erlaubt! Der Paritätische Gesamtverband hat eine Arbeitshilfe zum Kinderschutz herausgegeben, in dem erklärt wird, dass “vor die Tür stellen” eine Form der Gewalt ist – also in der Garderobe sitzen, in eine Ecke stellen, vor die Tür stellen. Diese Art der Gewalt, nämlich der soziale Ausschluss aus einer Gruppe, steht in dieser Erklärung in der Schwere gleichrangig neben dem Zwang zum Aufessen, zum Schlafen, der verbalen Erniedrigung, Beschämung und der körperlichen Gewalt.https://www.paritaet-berlin.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/2016/September/2016_09_29_kinder-und-jugendschutz-in-einrichtungen_web.pdf

WARUM ist nun der Ausschluss aus der Kindergartengruppe für ein Kind so schlimm?

Man könnte ja sagen, das Kind sitzt doch an einem sicheren Ort, hat seine Ruhe und kann für sich spielen. Aber was in dem Kind passiert, kann auf Dauer negative Auswirkungen auf die Entwicklung und das Wohlbefinden des Kindes haben.

  • Der Ausschluss aus sozialen Gruppen fügt Kindern psychischen STRESS zu. Wir Homo Sapiens sind neurowissenschaftlich gesehen darauf gepolt, immer in der Nähe der sozialen Gruppe zu bleiben. Wenn wir früher alleine in der Wildnis unterwegs gewesen wären, hätten wir vermutlich ohne unsere Gruppe nicht lange überlebt. Es kann also ein Gefühl von verlassen sein, allein gelassen sein oder sogar ein Gefühl von Todesangst einsetzen. Das bedeutet im Gehirn massiven Stress. Und eine hohe Cortisolausschüttung im Gehirn kann auf Dauer eine chronische Cortisolüberfunktion oder eine chronische Cortisolunterfunktion hervorrufen und die Entwicklung beeinträchtigen.
  • Die BEZIEHUNG zur strafenden Fachkraft wird durch den Ausschluss aus der Gruppe erschüttert. Das Kind fühlt sich in der Umgebung der Bezugsperson nicht mehr sicher: “dieser erwachsenen Person kann ich nicht vertrauen. Sie schützt mich nicht, sondern bringt mich in Gefahr”. Ein solcher verinnerlichter Glaubenssatz kann mehrere Auswirkungen haben, z.B. dass das Kind nicht mehr in den Kindergarten gehen möchte weil es sich dort nicht sicher fühlt.
  • Wie jede andere Bestrafung ist der Ausschluss aus der Gruppe hochgradig BESCHÄMEND. In diesem Fall wird die Scham allerdings noch verstärkt. Wenn ein Kind wieder zur Gruppe zurückkommen darf, sind alle Augen auf das “Übeltäter”-Kind gerichtet. Unter Umständen kann die Beschämung beim Zurückkommen noch gravierender sein als beim Verhängen der Strafe. Eine solche Art der Beschämung kann dazu führen, dass das Selbstbild des Kindes langfristig erschüttert wird und es bei wiederkehrendem Ausschluss ein negatives Selbstbild aufbaut: “ich bin böse”. Eine solche häufig auftretende Beschämung kann traumatische Auswirkungen für das Kind bedeuten (https://www.traumaheilung.de/trauma-und-scham/)
  • Einfühlungsbeispiel: wie würden wir uns fühlen, wenn wir bei unseren Verwandten zu einer Geburtstagsfeier eingeladen wären, wir schütten ausversehen ein Glas um und unsere Mutter würde uns vor die Tür setzen, uns also von der Gesellschaft ausschließen. Es würde alles in uns erschüttern: das Vertrauen in unsere Mutter, die Unsicherheit unseren Verwandten gegenüber und das Gefühl zu uns selbst. Zurückbleiben würde eine riesengroße WUT und das Bedürfnis zu FLIEHEN.
  • Fachkräfte wollen mit ihrer bestrafenden Handlung erzielen, dass ein Kind das ungewünschte Verhalten nicht mehr zeigt. Es kann auch sein, dass der gewünschte Effekt kurzzeitig eintritt. Der Ausschluss aus der Gruppe wird das Kind allerdings eher dazu veranlassen in Widerstand zu gehen und seinem ÄRGER über die Bestrafung Luft zu machen. Solche Kinder werden dann häufig als “schwierige Kinder” betrachtet. Langfristig gesehen ist der Ausschluss aus der Gruppe also für beide Seiten ineffektiv und ungesund.
  • Die Reaktion auf die Bestrafung und der entstandene Schaden ist allerdings stark vom Temperament des Kindes abhängig. Manche Kinder würden sich z.B. eher zurückziehen und autoaggressive, depressive Anzeichen zeigen.
  • Auch die Reaktion der ELTERN zuhause spielt eine entscheidende Rolle. Nehmen die Eltern ihr Kind ernst, trösten sie oder bleibt das Kind mit seinem Kummer alleine bzw. wird noch zusätzlich bestraft für sein „böses“ Benehmen.

Meine Haltung ist klar: ganz egal, was ein Kind “anstellt”, der Ausschluss aus der Kindergartengruppe darf NIE ein Mittel der Erziehung sein!

Welche alternativen Handlungsweisen Fachkräfte anstatt einer Auszeit nutzen können, erkläre ich in dem Artikel: „5 Alternativen für eine Auszeit als Strafe“


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“Na Süße…” wenn Fachkräfte Kinder mit Worten liebkosen

“Na Süße…” so nannte ein Erzieher ein vierjähriges Mädchen. Spontan musste ich mich innerlich schütteln. Es kam ein Gefühl von EKEL in mir auf. Habe nur ich diese Abscheu gespürt oder auch das Mädchen selbst? Hätte ich mich vielleicht nicht so geekelt wenn es eine Erzieherin und kein Erzieher gewesen wäre?! Bin ich doch etwas zu sensibel? Warum reagierte ich so? Fragen, Fragen, Fragen. 

Eines beobachte ich jedenfalls immer wieder: Kinder werden in der Kindertagesbetreuung beinahe inflationär mit Kosenamen benannt:

“Püppi”, “Mäuschen”, “Schätzchen”, “Hase”, “Schnecke” usw.

Es rutscht uns plötzlich raus, die Kleinen sind ja auch zu süß, wir meinen es doch nur gut. Kennt ihr das? 

Die meisten denken sich nichts dabei, meinen es nicht böse, ist doch nur nett gemeint und schafft Nähe zum Kind. Das mögen die Kinder doch und mich mögen sie dann auch lieber. Auf diese Weise kann ich eine Beziehung aufbauen, die für die pädagogische Arbeit doch so wichtig ist. Aber ist das wirklich so? 

Kinder mögen meist keine Kosenamen

Die meisten Kinder, die ich frage, ob sie Kosenamen mögen, antworten mir mit einem klaren NEIN! Es wird dabei ihre Grenze überschritten.

Ihre Mimik, Gestik, ihr Verhalten, ein Wegdrehen, ein Gesicht verziehen, ein danach schnell Wegrennen lässt dann vermuten, dass ihnen diese Art der sprachlichen Zuwendung zu eng und grenzüberschreitend ist.

Wenn Kinder mit “Süße” oder “Püppi” angesprochen werden, hat das für mich doch ein wenig etwas von einem Kuscheltier, von etwas Kleinem, Niedlichen, einem Objekt, das liebkost wird.

Kinder wollen gleichwertig behandelt werden

Kinder wollen jedoch GLEICHWERTIG als vollwertige Persönlichkeiten gesehen werden, als Subjekte, die ihr Leben selbst gestalten können, die über sich selbst bestimmen können. Sie wollen als Karl, Louis, Mia, Fred und Emma gesehen und geschätzt werden. Sie wollen hingegen nicht als kleine süße Püppchen behandelt oder wie Objekte betätschelt werden. Sie wollen wie sie SELBST behandelt werden – mit all ihren Interessen, Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften. 

Wir können Kinder FRAGEN, ob sie die Liebkosungen mögen. Manche Kinder verlangen vielleicht sogar danach. Wenn sie ihr Einverständnis dafür geben, sind die verniedlichenden Bezeichnungen keineswegs zu kritisieren. Aber wenn Kinder sie allerdings nicht mögen, muss das respektiert werden! 

Und wenn es uns doch passiert?

Wenn uns doch eine gut gemeinte Liebkosung über die Lippen rutscht, haben wir die Möglichkeit unser BEDAUERN darüber auszudrücken.

“Oh ich weiß, eigentlich magst du so nicht genannt werden. Das kann ich gut verstehen. Ich bedauere dich “Mäuschen” genannt zu haben weil ich weiß, dass du das gar nicht magst. Ich versuche nächstes Mal darauf zu achten, denn mir ist es wichtig, dass deine Grenzen respektiert werden”

Auf dieser Grundlage können tolle Gespräche entstehen, die Kinder für ihr Leben bereichern. Ich kann mit dem Kind über seine eigenen GRENZEN und über das Wahrnehmen eigener Grenzen sprechen. Anhand dieses Alltagsbeispiels haben wir die Möglichkeit, Kinder darin zu bestärken, ihre eigenen Grenzen zu wahren und NEIN zu sagen.

Mehr zum Thema Grenzen und Wahrnehmung von kindlichen Grenzen findest du hier: https://www.beduerfnisorientierte-kinderbetreuung.de/nein-sagen-duerfen


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