Wer kennt ihn nicht den allbekannten Koste-, Probierlöffel oder Probierhappen. Viele Fachkräfte wollen, dass Kinder “zumindest mal probieren” auch wenn das Kind NEIN sagt und keinen Spinat, keinen Salat, kein Fleisch o.ä. essen möchten.
Viele Fachkräfte erhoffen sich davon, dass das Kind gesünder isst oder auch durch das Probieren Gefallen an diesem Essen findet. Das Gegenteil ist der Fall!
Stellt euch mal vor, ihr hättet euer allerliebstes Mittagessen vor euch stehen – ihr habt so richtig Lust darauf. Jetzt kommt Jemand und schöpft euch (evtl. sogar ohne euch zu fragen) einen Klecks von dem ungeliebten Essen mit auf den gleichen Teller. Würde euch da nicht auch die Lust auf das Lieblingsessen vergehen? Würde nicht sogar ein Ekel aufkommen, der euch das ganze Essen vermiest?!Für die Zukunft würde das für mich vielleicht sogar bedeuten, ich mag das ungeliebte Essen noch weniger. Es könnte sogar sein, dass für mich die Essenssituation im Kindergarten auf Dauer einen negativen Beigeschmack hat – mir die Essenslust vergangen ist.
Sollte es nicht das ZIEL im Kindergarten sein, die Freude und Lust am Essen bei den Kindern zu erhalten? Sollte es nicht das Ziel sein, ein gesundes Verhältnis zum Essen zu bewahren? Ich halte es für sehr wichtig, den Kindern die Kompetenz zuzusprechen, für sich selbst am besten entscheiden zu können, was ihnen kulinarisch gut tut und was nicht. Es sollte ihnen selbst überlassen bleiben, wann sie etwas probieren möchten und wann nicht.
Druck von außen führt eher dazu, sich von dem ungeliebten Lebensmittel fern zu halten oder sogar sein ganzes Leben zu verabscheuen.
Meine Erzieherfachschüler antworten meistens auf diese Annahme mit: “stimmt, das was ich damals essen sollte, mag ich noch heute nicht!”
Kennt ihr das auch? Wie geht ihr in der Praxis mit dem Probieren um?
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Bei mir entscheidet das Kind was es auf dem Teller haben möchte oder was nicht. Ich bin auch der Meinung ab 2 Jahren können sich die Kinder das Essen auch selbst auf den Teller schaufeln und somit ganz allein entscheiden was und vor allem wie viel sie essen möchten.
Hallo Lea! Dieses Thema interessiert mich (wie alle Themen die Du ansprichst) sehr, dennoch bin ich noch nicht sicher, ob ich in diesem Fall mitgehen kann. Ich halte selbstverständlich nichts von Zwang. Aber ich denke, dass Kinder sich durch das Probieren an Speisen gewöhnen können, die ihnen vielleicht im ersten Moment nicht sehr attraktiv erscheinen. Das deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung. Liege ich damit wirklich falsch? Ich biete immer einen kleinen Klecks an, aber natürlich muss nichts aufgegessen werden. Seit einiger Zeit beschäftigt mich aber doch die Frage, ob ich das lassen soll…
Liebe Nicole,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. In der Biografie der meisten Menschen steckt immer noch die tiefe Angst, dass Kinder nicht genug zu essen bekommen und krank werden könnten. Das ist unter anderem ein Erbe der Kriegszeit und steckt noch immer unbewusst tief verankert in vielen Menschen auch der Nachgerneration drin. Auch das heutige Ernährungsbewusstsein (wenig Zucker, viele Vitamine etc.) trägt natürlich mit dazu bei, dass wir eine innere Angst in uns tragen, Kinder könnten zu wenig „gesunde“ Nahrungsmittel zu sich nehmen. Diese Ängste und Sorgen kann ich sehr gut nachvollziehen, denn sie stecken tief in uns drin und überkommen uns manchmal. Ohne es zu merken „drängen“ wir Kinder zu dem ein oder anderen Probierhappen.
Gleichzeitig ist es so, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben, in dem kein Kind hungern muss jedes Kind beinahe zu jeder Zeit (insbesondere im Kindergarten) Zugang zu wichtigen Inhaltsstoffen (Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine, Ballaststoffe etc.) hat. In der Bedürfnisorientierung vertrauen wir zu 100% auf die Kompetenz der Kinder und deren Fähigkeit, selbst genau zu wissen, wann sie von welchen Lebensmitteln wie viel brauchen. Diese Haltung ist auch wissenschaftlich begründbar. Es gibt eine Standard Langzeitstudie aus den 30er Jahren von Dr. CLara Davis, in der etliche Kinder ab dem 6. Lebensmonat bis zum 6. Lebensjahr beobachtet und durch verschiedene Methoden in ihrem Essverhalten kontrolliert worden.
Eine Übersicht ist hier bei Wikipedia zu finden: https://de.wikipedia.org/wiki/Self-selection_of_diet_by_young_children#:~:text=Self%2Dselection%20of%20diet%20by%20young%20children%20(deutsch%3A%20%E2%80%9E,Nahrungsauswahl%20von%20Kleinkindern%20vor%20dem
Die Kinder haben eine immer gleiche Auswahl an Lebensmitteln vorgesetzt bekommen und durften sich selbst auswählen, was davon sie essen möchten. Dabei ergab sich, dass Kinder sich immer genau die Lebensmittel auswählten, die für ihre Gesundheit sinnvoll und notwendig waren. Alle Kinder waren laut medizinischem Bericht kern gesund trotz selbständiger Essensauswahl. Auch wenn Kinder Wochen lang nur Nudeln aßen, schadete das nicht ihrem Organismus. Das in aller Kürze 😉 Es gibt auch noch eine Studie der Universität Stanford: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2943861/ die die eintönige Essenswahl der Kinder als unproblematisch einschätzt.
Wir dürfen den Kindern also vertrauen, dass sie sich immer genau das auswählen, was sie für ihren Organismus brauchen.
Falls du noch Fragen hast, melde dich gerne nochmal:-)
Liebe Grüße, Lea
Wow, vielen lieben Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich werde mir alles durchlesen und dann nochmals darüber nachdenken. Du hast Recht, ich agiere tatsächlich aus Angst. Nicht, dass die Kinder zu wenig bekämen, sondern dass sie sich zu ungesund ernähren könnten, ist meine Sorge. Die Studien, die Du genannt hast, können mich vielleicht beruhigen. 😉
Liebe Grüße, Nicole
Hallo Nicole, deine Kommentare sind jetzt schon fast ein Jahr alt aber ich wollte trotzdem mal einen Buch- und Podcasttipp zu dem Thema da lassen. „Dein Kind isst besser, als du denkst.“ Lohnt sich sehr und bekräftigt Leas Aussagen.
Viele Grüße,
Mela
Ja, das Buch und den Podcast kann ich auch sehr empfehlen.